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Mittwoch
24.08.2011

Während einige Journalisten von «Tages-Anzeiger», NZZ, «20 Minuten», «Aargauer Zeitung», «Berner Zeitung» und «Schweizer Journalist» am Montagabend die Liveaufzeichnung der «Schawinski»-Probe um 18.00 Uhr in einem Nebenraum des Sendestudios hatten mitverfolgen dürfen, machte es sich der Klein-Report-Redaktor um 22.55 Uhr vor dem Fernseher gemütlich. So konnte er herausfinden, wie Roger Schwanskis Gesprächstaktiken auf Zuschauer wirken, die nach einem langen Hochsommer-Arbeitstag Mühe haben, überhaupt die Augen offenzubehalten.

Der Start in die Sendung war dank modernem «Power-Button»-Design und der naiven, aber nicht uninteressanten Startfrage «Wer sind Sie?» dynamischer als in einer durchschnittlichen SRF-Gesprächsrunde. Doch bald zeigte sich, dass man beim nächtlichen Geplauder zwischen SRF-Wiederentdeckung Roger Schawinski und Privatbankier und NZZ-Verwaltungsratspräsident Konrad Hummler als Zuschauer viel Sitzfleisch benötigte.

Vom versprochenen neuartigen Power-Talk war wenig zu spüren. Der 66-jährige Moderator mit frisch gefärbtem Haar und der 58-jährige Gast sprachen in einem ersten Themenblock ausführlich über ihre Jugendjahre, natürlich von Paris 1968 und Anti-Vietnam-Demos. Mit dem mehrmaligen Nachfragen, wie reich Konrad Hummler sei, konnte dann Schawinski anschliessend punkten. Als er dann aber dazu überging, aus alten Zeitungsberichten von «Handelszeitung», «Tages-Anzeiger» und der «Neuen Zürcher Zeitung» vorzulesen und so Hummler mit einigen einstigen Falschprognosen zu konfrontierten, wurde das Gespräch zäh. Zumal der Privatbankier auf die Strategie setzte, seine damaligen Fehlprognosen zwar zuzugeben, aber zugleich auch abzuschwächen.

Weil Schawinski die abgekühlte deutsche Wirtschaft gleich dazu benutzte, halb Europa ins Wirtschaftselend zu reden und sieben Prozent Wachstum der Volksrepublik China als grosse Katastrophe darzustellen versuchte (?), war es für Hummler ein Leichtes zu punkten. Da wurde es bereits peinlich und ein fremdschämen für den etwas verwelkt wirkenden Journalisten kam auf. Schawinski ist halt gedanklich schon lange allein mit sich selber! Da gibt es dann eben keine Entwicklung mehr.

Für Farbtupfer sorgten jetzt nur noch die Einblender, die in ihrem Stil an RTL-2-Realityshows erinnerten: «Ich bin Geld. Money, Money» stand beispielsweise auf dem Bildschirm, oder «Ich liebe die Provokation». Kurz vor dem Einschlafen ordnete wohl manch ein Zuschauer die Zitate fälschlicherweise dem Moderator statt seinem Gesprächsgast zu.

Manch einer wünschte sich, Konrad Hummler würde seinerseits alte Zeitungsberichte hervorzaubern und Schawinski mit seinen früheren Aussagen über das Schweizer Fernsehen konfrontieren. Hummler blieb aber überaus nett, was wohl auch daran lag, dass eines seiner Bücher prominent im Blickfeld der Kamera positioniert worden war. Zumindest das Product Placement funktionierte also schon in der Startsendung perfekt.

Nach 27 Minuten war der Spuk bereits wieder vorbei. Für den grössten Überraschungseffekt sorgte noch der Einblender im Abspann, dass die Sendung wirklich am Montag aufgezeichnet worden sei. Tagesaktuell hatte der Talk über die 68er-Bewegung, falsche Wirtschaftsprognosen im Jahre 2008 und ein bekannt lockerer Umgang Schawinskis mit Fakten eh nicht gewirkt.