Kurz vor dem Jahrestag der Ermordung von Jamal Khashoggi hat der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman in einem Interview die «politische Verantwortung» für den Journalisten-Mord übernommen. Eine persönliche Verstrickung bestreitet er hartnäckig. Vor den saudischen Konsulaten in Berlin und Paris kam es am Dienstag zu Protesten.
Ob er den Mord an Jamal Khashoggi angeordnet habe, fragte die «60 Minutes»-Moderatorin des US-Fernsehsenders CBS den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman in einem aufsehenerregenden Interview, das vor Kurzem ausgestrahlt worden war.
Die «volle politische Verantwortung als politischer Führer Saudi-Arabiens» übernehme er für die Tat, sagte der Kronprinz in dem CBS-Interview. Gleichzeitig beharrte er darauf, dass er die Tat weder in Auftrag gegeben noch von ihr gewusst habe.
Nach allem, was über den Mord bekannt ist, ist dies sehr wahrscheinlich eine Lüge, wie verschiedene Medien das Interview kommentierten.
Dank vieler Medienberichte, die vor allem auf türkischen Geheimdienstinformationen beruhen, und dank einer Untersuchung der UN-Sonderberichterstatterin Agnes Callamard ist der Ablauf des Verbrechens bis in viele Details bekannt.
Ungeklärt ist neben dem Verbleib der Leiche, wer den Befehl zur Tötung Khashoggis gab. Der im Juni veröffentlichte Callamard-Bericht kam zu dem Ergebnis, dass die Indizien für eine Verwicklung der saudi-arabischen Führung einschliesslich des Kronprinzen ausreichten, um weitere Untersuchungen gegen sie zu rechtfertigen.
Saudi-Arabien hatte die Tat zunächst geleugnet, dann eingeräumt und als ungeplantes Fehlverhalten der in Istanbul unmittelbar Beteiligten dargestellt. Elf Männern wird seit Januar in Saudi-Arabien unter Ausschluss der Öffentlichkeit wegen des Mordes der Prozess gemacht.
Fünf von ihnen droht die Todesstrafe. Durch ihre Hinrichtung würde die Wahrheit über die Hintergründe des Mordes an Khashoggi womöglich dauerhaft vertuscht. Ein zunächst als Mittäter benannter enger Vertrauter des Kronprinzen ist nicht unter den Beschuldigten.
Nur die Türkei und die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats dürfen Beobachter zu dem Prozess entsenden, aber nichts über dessen Inhalte bekannt machen.
Der in den USA lebende saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi war am 2. Oktober 2018 im Konsulat seiner Heimat in Istanbul von einem 15-köpfigen, eigens aus dem Königreich angereisten Kommando ermordet worden.
Seine Leiche wurde am Tatort wahrscheinlich mit einer Knochensäge zerstückelt. Bis heute fehlt von ihr jede Spur.
Vor Saudi-Arabiens Konsulat in Paris platzierten Aktivisten am Dienstag in Einzelteile zerlegte Schaufensterpuppen, die Westen mit der Aufschrift «Presse» trugen.
Saudi-Arabien wird Ende Jahr die G20-Präsidentschaft übernehmen.