Miriam Meckel hält die Stellung beim «Tages Anzeiger», zwei Chefredaktoren sind in den Ferien, wie es auf telefonische Anfrage des Klein Reports bei der Redaktion hiess und der Dritte im Bunde - Res Strehle - lehrt an Meckels Stelle die laufende Woche an der Hochschule St. Gallen. Das IT-Problem vom Dienstagabend muss die Medienwissenschaftlerin auf etwas verlorenem Chefredaktorinnenposten miterlebt haben.
Meckel geniesst ihre Zeit als Chefredaktorin trotz IT-Ausfall, wie sie gegenüber dem Klein Report erklärte: «Ich finde es derzeit grossartig, dass ich jeden Abend alles wegschmeissen kann, was auf meinem Schreibtisch liegt, denn morgen ist ein neuer Tag, alles steht wieder auf null.» Sie war vor zwanzig Jahren selbst als Journalistin tätig und staunt: «Es ist ein Wahnsinn, was sich seitdem durch das Internet verändert hat.»
«Tages-Anzeiger»-Chefredaktor Res Strehle ist dafür in der laufenden Woche an der HSG unterwegs, auch er sieht grosse Unterschiede an seiner Alma Mater zu seiner Zeit als Student und Lehrbeauftragter «Es gibt heute dreimal so viele Studierende und alles ist internationaler geworden.»
Meckel erklärt, dass die Idee zum Sesseltausch an einer Konferenz zum Thema Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis entstanden sei. Sie habe mit Strehle über das mangelnde Verständnis zwischen Kommunikationswissenschaft und Medienpraxis diskutiert und schliesslich beschlossen, den Alltagstest zu machen.
Strehle interessiert sich in seiner Woche an der Uni St. Gallen vor allem für den Austausch mit einer neuen Generation von Studierenden. «Mit den Interneteingeborenen zu sprechen, kann für mich lehrreich sein. Das sind unsere Leser von morgen, auf welchem Trägermedium auch immer.»
Meckel erhofft sich von der Woche eine «neue Sichtweise auf die Veränderungen im Journalismus». Sie wünscht sich, mit mehr Fragen zurückzukommen, als sie vorher hatte, und sich damit in der Forschung beschäftigen zu können. «Es ist durchaus hilfreich, wenn man das Objekt der wissenschaftlichen Analyse auch einmal aus praktischer Innensicht betrachten kann», ergänzte sie die Erwartungen an den Sesseltausch.
Sie äusserte aber auch Kritik an den Medienschaffenden «Manche erwarten von der Wissenschaft kurzfristige Lösungen für sehr praktische Fragen. Das kann die Medienwissenschaft nicht leisten, denn gute Forschung dauert ihre Zeit.» Meckel ergänzte, dass ihr aber klar sei, dass viele Chefredaktoren das sehr wohl verstünden.
Sie verstehe die Verständigungsprobleme nicht ganz. «Wir sitzen natürlich auf entgegengesetzter Seiten des Tisches, hier die Praktiker, dort die Wissenschaftler. Aber auf dem Tisch sehen wir das Gleiche: die Medien.»
«Wir können von den Medienwissenschaftlern lernen», gab sich auch Strehle versöhnlich und blickt in die Zukunft: «Beide Seiten sind wohl begabter im Austeilen als im Einstecken. Aber ich bin zuversichtlich, dass sich das Verhältnis normalisieren wird.»