Das Theaterhaus Gessnerallee hat den AfD-Politiker Marc Jongen, bekannt als philosophischer Zorn-Experte, zuerst eingeladen und nach grossen Protesten dann doch wieder ausgeladen. Die Konzeption «Neue Avantgarde» durch die Gessnerallee war von Anfang an auf Quoten, Aufmerksamkeit und Marketing des Theaterhauses angelegt.
Für den Klein Report kommentiert dazu Medienexpertin Dr. Regula Stämpfli.
Auf dem Podium sollten neben Jongen der Publizist Olivier Kessler von der SVP, der Kunstwissenschaftler und Journalist Jörg Scheller und Laura Zimmermann, Co-Präsidentin der Operation Libero, sitzen. Abgesehen von der äusserst seltsamen Auswahl der Teilnehmenden entsprach die Zielsetzung altherrischen Witzen mit Pulverdampf-Qualität. Die Herren und die einzige Dame hätten darüber geredet, was «liberal», «progressiv» und «reaktionär» heute bedeuten – als wären die heissen politischen Zeiten eine Frage der Linguistik.
Dass Kunst sich sehr gerne mit Macht verbindet, so dass öfters die Rede von «Munst» sein sollte, ist hinlänglich in Zürich bekannt. Wer indessen etwas über die naiv-pathetisch-eingebildete «es geht um Theater»- Haltung zu politischen Themen erfahren möchte, ist bei Klaus Manns «Mephisto» auch gut bedient. Süss deshalb die Antwort der Gessnerallee, die festhielt, dass die Veranstaltung keine «Werbung für politische Positionen» sein solle, sondern den Dialog zwischen «linken und rechten» und «zwischen konservativen und progressiven Positionen» öffnen möge.
Dies entspricht der postmodernen Beliebigkeit, dass antidemokratische Positionen nicht einfach menschenfeindlich sind, sondern «umstritten». So entstehen Fake News, Fake Images und nun auch Fake Theatre. Das mit öffentlichen Gelder subventionierte Theaterhaus spielt exakt auf der Klaviatur, die der künstlerische Leiter der Digitalbühne, Samuel Schwarz, als «neoliberale Event-Logik» bezeichnet, bei der ein esoterisch reaktionärer Denker wie Marc Jongen und seine Positionen die Star-Gäste seien.
Die Quotenkumpanei zwischen Extrempositionen und öffentlich-rechtlichen Medien, Institutionen etc. war schon öfters im Klein Report Thema: Framing, Agenda-Setting, Plattformen spielen seit Jahren anti-demokratischen Positionen durch Personalisierung, Skandalisierung, Trivialisierung und Freund-Feind-Schemata in die Hände. Nun praktizieren also auch die Kulturinstitutionen die Logik vieler Massenmedien.
Die Gessnerallee hätte unendlich viele Themen, die den politischen Diskurs der Gegenwart bereichern könnten. Hier auf den braunen Bruder im Norden zu setzen, hat nichts mit Meinungsfreiheit, dafür alles mit dem Aufmerksamkeitsmarkt zu tun. Die Gessnerallee hat die Veranstaltungen abgesagt mit einer Medienmitteilung, die belegt, dass die Leitung des Theaterhauses nix kapiert hat. Die Sicherheit liesse sich nicht garantieren, war die Begründung.
Der Nebeneffekt derartiger Angriffe auf die Demokratie von Seiten der Kultur ist selbstverständlich: Die Rechtspopulisten stilisieren sich als Opfer einer Meinungsdiktatur und beklagen den Verlust der Meinungsfreiheit. Wetten übrigens, dass der nächste Gast bei «Schawinski» wahrscheinlich Marc Jongen heisst?