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Montag
07.06.2010

In den letzten Jahren und Monaten wurden Vereinigungen gegründet, welche die Medien in der Schweiz kritisch unter die Lupe nehmen. Offenbar jedoch fehlt diesen Gründungen oft die notwendige Basis, sodass diese aktiv werden und nach Mitgliedenr Ausschau halten. Einer der jüngst gestarteten Vereine ist derjenige von Medienkritik Schweiz, der auf dem Briefweg versuchte, den emeritierten Professor Roger Blum an Bord zu holen. Blum jedoch sagte dankend ab und erklärte: «Ich bin der Meinung, dass es in unserem kleinen Land zu viele medienkritische Organisationen gibt, in denen immer wieder dieselben Leute ein bisschen etwas, aber nichts gründlich tun. Die Zersplitterung ist ungut.»

Unter dem Titel «Das Elend der Medienkritik» hatte Blum im «Tages-Anzeiger» (TA) und im «Bund» (26. Mai 2010) grundsätzlich Stellung zum Thema bezogen und aufgelistet, wer die Medien kritisch observiert und wer die Medienkritik in der eigenen Publikation wieder abgeschafft hat. Der frühere Professor für Medienwissenschaft und Präsident der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) spricht von einer «fünften Gewalt» und zeigt auch auf, welche Medienunternehmen die Publizität im Lande dominieren. «Grosse Medienunternehmen wie Google, SRG, Tamedia, Ringier, Springer, die NZZ-Gruppe oder die Schweizerische Depeschenagentur entscheiden weitgehend darüber, wie die Bevölkerung informiert wird», schreibt Roger Blum im «Tages-Anzeiger».

Wie aber steht es um diese «fünfte Gewalt», um die Medienkritik in der Schweiz? «Ganz elendiglich. Es herrscht entweder Wüste oder eine heillose Zersplitterung», meint Blum. Zum Thema Medienjournalismus hält er fest, dass dieser in Zeitungen, Radio und Fernsehen eine aussterbende Spezies sei. «Über ein festes Gefäss verfügt er gerade noch in der NZZ, der `Weltwoche`, im `Sonntag` und im Radio della Svizzera italiana.»

Auch die Wissenschaft melde sich im Bereich der Medienkritik nicht kraftvoll zu Wort. «Viele Professoren schweigen und vergraben sich in ihren Forschungsprojekten. Jene, die reden, finden mit ihren Plattformen nicht immer genügend Beachtung. So ist Stephan Russ-Mohl vom Europäischen Journalismus-Observatorium der Uni Lugano darauf angewiesen, dass genügend Leute seine Website nachfragen. Kurt Imhof vom Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft der Uni Zürich muss darauf hoffen, dass er ausreichend Sponsoren für sein Medien-Observatorium kriegt.» So weit Professor Roger Blum.

Die Worte des Professors blieben nicht unwidersprochen. Der Ombudsmann der Tamedia, Ignaz Staub, replizierte auf Blum: «Ich beliebe zu widersprechen - nur halb im Scherz. Zwar mag die öffentliche Medienkritik darben. Und Journalisten sind, es sei geklagt, dünnhäutige Wesen. Doch die private Medienkritik, die gute Nachricht, lebt und gedeiht.» Staub berichtet über die Reaktionen aus der Leserschaft: «Mediennutzerinnen und -nutzer lesen genau, und was sie dabei lernen, berührt, verwirrt oder erzürnt sie. Manchmal reagieren sie aus gutem, mitunter aus schwer verständlichem Grund. Jedenfalls ist es für jemanden, der den Journalismus von innen kennt, eine heilsame Erfahrung, mit der Aussensicht des Metiers konfrontiert zu werden.»

In dieselbe Kerbe wie Staub haut René Gygax, Chefredaktor des «Thuner Tagblatts» und des «Berner Oberländers». Er meint: «Die wertvollste Kritik kommt vom Publikum.» Und: «Alt Medienprofessor Roger Blum beklagt wortreich das `Elend der Medienkritik`. Er bedauert, dass nur noch wenige Zeitungen ein Medienressort führten.» Die wichtigsten Medienkritiker habe Roger Blum «glatt ausgeblendet und vergessen: die Mediennutzer, also die Fernsehzuschauer, die Radiohörer, die Onlinenutzer und die Zeitungsleser.» Diese seien ihm «zehnmal wichtiger als die klugen Absonderungen von Branchenkollegen in irgendwelchen Spalten im Elfenbeinturm oder in Blogs, die niemand liest». Dies die Meinung von René Gygax, dem Chefredaktor aus dem Verbund «Berner Zeitung».

Der Klein Report meint dazu: Vermutlich haben alle ein bisschen recht. Es braucht die professionelle Medienkritik, aber auch die Kritik des Publikums und der Leserschaft; immerhin in einer Demokratie mündige, kritische Bürgerinnen und Bürger, die sich ihre Meinung selber bilden können. Doch auch Roger Blums Intervention ist vonnöten, mit Dutzenden von medienskeptischen Vereinigungen gibt es auch keinen «Medienfrühling».