Wie darf eine Initiative benannt werden? Zu diesem Thema hat der Klein Report bereits Tristan Brenn, Chefredaktor TV SRF, und den Staats- und Medienrechtler Urs Saxer befragt.
Nun gibt Linards Udris, Mediensoziologe am Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Uni Zürich, seine Sicht der Dinge ab und sagt, weshalb Framing normal sei, und dass man die Namensfrage nicht überschätzen sollte.
Dass die SVP-Begrenzungsinitiative bei der «Neuen Zürcher Zeitung» «Kündigungsinitiative» heisst, aber beim SRF hingegen «Begrenzungsinitiative» in Anführungszeichen geschrieben wird, irritiert Linards Udris nicht: «Umbenennungen von Abstimmungsvorlagen kommen immer wieder vor.»
Umbenennungen würde man nicht nur bei Volksinitiativen beobachten, sondern auch bei Behördenvorlagen: «Ich erinnere an das jüngste Beispiel, nämlich die Abstimmungen vom Februar 2020. Die Initiative 'für mehr bezahlbare Wohnungen’ wurde in den Medien oft einfach als 'Mietwohnungsinitiative’, 'Mieter-Initiative’, 'Wohnbau-Initiative’ oder 'Wohnungsinitiative’ bezeichnet», sagte Udris gegenüber dem Klein Report.
Aus Sicht der Medien seien Änderungen von offiziellen Titeln «verständlich», so der Medienforscher, weil diese in Texten «ein Stück weit auf kurze, einprägsame Titel angewiesen sind».
Auf die Frage des Klein Reports, welche Auswirkungen verschiedene Initiative-Namen auf den Abstimmungskampf hätten, meinte er, dass man die Namensfrage nicht überschätzen solle: «Eine Analyse von 'Année politique suisse’ hat mal gezeigt, dass die meisten Stimmbürger bei ihrem Entscheid nicht nur den Titel einer Vorlage im Kopf haben, sondern auch Argumente und Akteure kennen.»
Ausserdem würde im Abstimmungskampf selber, also in der Medienberichterstattung und in der Kommunikation der Kampagnen, die Diskussion um Namen «keine grosse Rolle» spielen, so Udris. «Kampagnen-Akteure versuchen viel häufiger mit Argumenten oder auch mit Provokationen und spektakulären Aktionen Aufmerksamkeit zu erzielen und die Stimmbürger zu überzeugen.»
Der Namensdschungel sei «kein grosses Problem», sagte Linards Udris. Allerdings sei es aus einer Medienqualitäts-Perspektive wichtig, dass Medien in der Berichterstattung über eine Abstimmungsvorlage den «konkreten Bezug zur Volksabstimmung machen» und die Abstimmung «inhaltlich korrekt» beschreiben.
«Generell dienen Volksinitiativen schon auch dazu, Aufmerksamkeit in den Medien zu erzeugen. Der Name ist dann Teil des Marketings.» Aber hier müsse man differenzieren, sagte Udris: «Manche Initianten lancieren Volksinitiativen, um vor allem ihre eigene Bekanntheit und Reputation zu erhöhen. Andere Initianten lancieren Volksinitiativen, um die Aufmerksamkeit auf die Themen und Sachfragen zu lenken.»
«Und ganz generell sollten die Medien eine einordnende Berichterstattung pflegen, in der gut begründete Argumente der verschiedenen Akteure ausgetauscht werden. Und sie sollten nicht auf Marketing-Aktionen von Kampagnen-Akteuren reinfallen oder sich auf das Vermelden von Umfrageergebnisse beschränken», rät Udris den Medienschaffenden.
Dass Medien mit der Namensänderung einer Initiative Framing betreiben, bestreitet der Medienforscher nicht: «Jeder einzelne Medienbeitrag kann nur einen Ausschnitt eines Themas zeigen. Framing geschieht sowieso zwangsläufig bei jeder Form von Berichterstattung, das ist völlig normal.»