Es tut weh, wenn der sogenannte «Medienclub» des Schweizer Fernsehens (SRF) das Abbild der Schweizer Medien sein sollte.
Eine Männerrunde, die sich aufplustert und ihre jeweiligen Kampfzonen mit PR-Sülze verteidigt oder mit staatstragendem Aufwirbeln von Puderzucker vernebelt. Eigentlich müsste der gesamte Vorstand zurücktreten, wie bei der abgewählten deutschen FDP und den Grünen nach deren miserablem Abschneiden nach der Bundestagswahl vom 22. September.
Einer darf bleiben: Patrik Müller, Chefredaktor der «Schweiz am Sonntag», die erst vor Kurzem aus ökonomischen Gründen als Fusionsprodukt der Zeitungen «Der Sonntag» und der «Südostschweiz am Sonntag» entstanden ist. Er war auch der einzige Journalist unter 60 Jahren in der Runde, mal abgesehen von der netten Concierge Karin Frei, die nebst ihrem Chef Roger de Weck die Herren Iwan Rickenbacher, Kurt Imhof und Norbert Neininger von den «Schaffhauser Nachrichten» am Dienstagabend im 70er-Jahre-Studio zu einer Replik auf Ueli Maurers wüste Rede an der Verlegertagung in die Fernsehsofas geladen hatte.
Der an und für sich PR-gewandte Müller war der Einzige, der den Hausherrn zweimal direkt kritisierte, zum einen auf die absolute (publizistische) Medienmacht im Schweizer Fernsehmarkt durch die SRG hinwies, zum andern das wirklich oft devote verhalten von SRF-Bundeshauskorrespondenten in der Wandelhalle oder teils bei Interviews anmahnte. SRG-Generaldirektor de Weck fuhr Müller sofort ins Wort, als dieser von einer auch physisch sichtbaren Beugehaltung der Journalisten sprach. Das müsse Müller erst beweisen, so de Weck, er verwahre sich dagegen, das seien alles Top-Journalisten. Kurz: unreflektiert sein ganzes Abwehrprogramm.
Das waren eigentlich aus Debattensicht die zwei interessantesten Aussagen nebst dem zarten Aufbäumen von Moderatorin Karin Frei, die ganz, aber wirklich ganz am Schluss der Sendung an Roger de Weck gerichtet fragte, wo denn eigentlich die Frauen im Mediengeschäft bei der SRG geblieben seien. Ach, es habe viele beim Schweizer Fernsehen, man denke an … De Weck zählte drei, vier Frauen auf, die nicht im Rampenlicht stehen. «Die hätten Sie alle einladen können», versuchte er die Kritik an seiner Medienpräsenz im eigenen unter Beschuss stehenden Haus fast vorwurfsvoll an die Moderatorin zurückzugeben.
Frei, die ja gerade als Frau allein im TV-Altersheim hockte, schmunzelte. Roger de Weck wandte sich - neben ihr sitzend - leicht aufbäumend zu ihr hin und wollte nochmals irgendwie erklären, dass er alles richtig mache, worauf sie ihm kurz und knapp mitteilte: «Ja, wir haben es gehört, danke.»
Aua! Das tat weh. Es offenbarte auch einmal mehr die unglaubliche Abhängigkeit von Journalisten von ihren Vorgesetzten, wegen der sie sich ja nicht aufgrund kritischer Äusserungen in die Arbeitslosigkeit schreiben oder reden wollen. Wo wollen ehemalige Fernsehjournalisten in der Schweiz arbeiten? Wo?
Aber eigentlich wäre es ja um die Kampfrede von SVP-Politiker Maurer gegangen, der nebst viel Kritik an den Schweizer Medien in Interlaken am Kongress vor allem populistisch auf die Watchdogs eindrosch. Und das im Range eines Bundespräsidenten, der Staat und Demokratie verwechselt! Nochmals: Medien haben nicht dem Staat zu dienen, wie Politiker Maurer sagte, sondern der Demokratie. Diese Auseinandersetzung fehlte praktisch komplett in der eine Stunde und 16 Sekunden dauernden Rederunde.
Die ähnlich aufgeregten Gegenpole zum Rechts-aussen-Politiker Maurer sind de Weck, der in Interlaken nach Maurers Rede fast im Dreieck sprang, und Kurt Imhof, Professor für Publizistikwissenschaft und Soziologie an der Universität Zürich, der äusserst praktisch am Dienstagabend auf die am Mittwoch erscheinende Publikation «Jahrbuch zur Qualität der Medien» hinweisen konnte. Erneut geisselte Soziologe Imhof bis zum Abwinken den Zürcher Medienkonzern Tamedia, der sich auf dem Schweizer Printmarkt eine Lokalzeitung nach der andern einverleibe und auch im Onlinegeschäft die Verwertungskette monopolartig ausweite.
Darauf erwiderte der ehemalige Primarlehrer und CVP-Generalsekretär Iwan Rickenbacher, der als Verwaltungsratsmitglied der Tamedia mitplaudern durfte, wie meinungsvielfältig in den einzelnen Regionalzeitungen des Hauses berichtet werde.
Wie immer in der «Club»-Sendung gab es nur sehr wenige Gegenfragen, kein Nachhaken, was möglicherweise in ein diskursives Gespräch gemündet hätte. Dem Tamedia-Konzern, aber auch dem in der «Club»-Sendung komplett abwesenden Ringier-Konzern, bleiben strategisch nebst dem verschlossenen nationalen TV-Bereich gar keine anderen Möglichkeiten. Ringier ging deshalb in Teilen ins Ausland und seit ein paar Monaten in den Unterhaltungsbereich.
Norbert Neininger, bekennender Christoph-Blocher-Fan und auch über verlegerische Aktivitäten finanziell mit diesem Lager verbandelt, sieht Transparenz bereits dann gegeben, wenn der Leser die Besitzer kennen würde und deshalb auch die Texte richtig beurteilen könne. So die Beweisführung der Retrotendenz im Schweizer Mediengeschäft, der auch die Linken mit Kampfblättern verfallen sind.
Als wenn acht Millionen Bürgerinnen und Bürger der Schweiz sich jedes Medienprodukt danach anschauen würden. Das Fazit der «Medienclub»-Sendung kann man mit dem PR-Pressetext von SRF am besten umschreiben: «Einheitsbrei, Rudeljournalismus, mangelnde Tiefe: Die Qualität der Medien hat abgenommen.» Genau, fügt der Klein Report da an. Und vom «kreuzen der Klinge der Meinungsmacher der Branche» war vor lauter Ängstlichkeit und Pseudo-Nettigkeit im «Club» nichts mehr übrig.