Nach der TV-Messforschung liegt bei Mediapulse seit mehreren Monaten auch die Radio-Messung im Argen.
Bereits Ende letzten Jahres klagten private Radiosender gegenüber dem Klein Report von absurd hohen Abweichungen bei der Radio-Messung. Damals war Radio Pilatus ein Beispiel. Der Sender habe gemäss der Radioforschung im November 2013 im Vergleich zum Oktober 2013 sagenhafte 66 000 Hörer verloren, das wären also 28 Prozent, fast ein Drittel. Der ins Energy-Radiokonglomerat von Ringier gehörende Radiosender Energy Zürich hat damals 46 000 Hörer, also 15 Prozent verloren.
Nun ärgern sich auch die Radiomacher - wie schon die vielen regionalen TV-Anbieter in den letzten Monaten - über ein Chaos in der Radioforschung der Mediapulse/Publica Data. Unter anderem auf dem Platz Basel ist es zu massiven Verzerrungen wegen «Simulcasting» gekommen, was direkte finanzielle Auswirkungen auf die Werbeeinnahmen der Radiostationen hat.
Das zeitgleiche Ausstrahlen von Radioprogrammen auf mehreren Sendern, das sogenannte Simulcasting, ist schon länger bekannt. Für die Radioforschung der Mediapulse/Publica Data ist es aber wieder kein Grund, zeitnah marktgerechte Anpassungen vorzunehmen.
Im Raum Basel hörten im 1. Semester 2014 gemäss Mediapulse an Samstagen 46 000 Hörerinnen und Hörer aus Bern und Zürich NRJ Basel. Das entspricht einer Explosion von 12 800 auf 46 000. Das führt dazu, dass gemäss der Forschungsfirma an Samstagen mehr Hörer aus Zürich und Bern NRJ Basel hören als Basler. Und unter der Woche von Montag bis Freitag haben sich die Hörer aus den Schwesterkonzessionsgebieten von 8000 auf 16 000 verdoppelt. Da die Simulcastfenster von NRJ teils erst im März 2014 in Betrieb genommen worden sind, explodieren die Zahlen seit Juli dramatisch weiter. Die Phantomhörer wachsen genau parallel zu den Simulcastfenstern, auch im Tagesablauf. Die Hördauer sinkt parallel zum Wachstum der Phantomhörer.
Nun hat in dieser Angelegenheit SVP-Nationalrat und Leiter Wirtschaftsförderung Baselland, Thomas de Courten, eine Anfrage beim Bundesrat unter dem Titel: «Simulcasting: Missstände bei der Erhebung von Radiohörerzahlen» eingereicht. Der selbständige Unternehmer fragt: «Ist sich der Bundesrat bewusst, dass diverse Schweizer Radiosender über längere Zeit das identische Programm ausstrahlen (Simulcasting) und einzelne Sender dadurch von der Firma Mediapulse massiv überhöhte Hörerzahlen ausgewiesen erhalten? Ist sich der Bundesrat bewusst, dass Mediapulse den gesetzlichen Auftrag, wissenschaftlich korrekte Hörerzahlen zu ermitteln, somit nicht erfüllt?» Auf eine mögliche Antwort darf man nächsten Montag gespannt sein.
Mediapulse habe einmal mehr den gesetzlichen Auftrag nicht erfüllt, wissenschaftlich korrekte Hörerzahlen zu ermitteln. Das Departement von Bundesrätin Doris Leuthard ist als Aufsichtsbehörde über die Mediapulse-Aktivitäten nun dringend gefordert, monieren die Basler.
Wider besseres Wissen hat Mediapulse/Publica Data am 21. Juli 2014 die Radio-Hörerzahlen des 1. Semesters 2014 öffentlich bekannt gemacht. Dies ohne Hinweis darauf, dass die korrekte Messung der Simulcasting-Sender nicht sichergestellt ist.
In den Daten des 1. Semesters 2014 fehlt die Mitteilung, dass die angegebenen Hörerzahlen der Energy-Radiostationen infolge der nicht korrekten Messungen im Bereich des Simulcasting in gravierendem Ausmass zu hoch sind. Mediapulse beschönigt die Situation massiv und verdeckt die gravierenden Fehler mit der Formulierung, es komme «zu einer leichten Überschätzung der Reichweite der am Simulcasting beteiligten Sender», das Problem sei erkannt und werde intensiv bearbeitet, es gehe bloss um Optimierungen.
Fakt ist, dass eine gravierende Überhöhung der Reichweitenangaben der Energy-Sender vorliegt und dass diese Angaben schlicht nicht mehr zuverlässig sind und damit als Währung im Werbemarkt nicht relevant sein dürfen.
Mediapulse behauptet zudem fälschlicherweise, dass sich der Effekt nicht genau feststellen lasse. Das Gegenteil ist richtig. Die Überhöhung bei den Energy-Sender ist dramatisch, sie übertrifft in einzelnen Stunden 40 Prozent. Mediapulse hat die gesetzliche Pflicht, die genauen Phasen des Simulcasting durch die Sender zu ermitteln, um korrekte Daten ausweisen zu können. Das Departement von Bundesrätin Doris Leuthard muss sicherstellen, dass die Forschungsfirma zuverlässige und der Wissenschaftlichkeit verpflichtete Daten bereitstellt.
Mediapulse hat zwar an ihrem Herbstseminar vor Kurzem ihre Kunden über die Radio- und Fernsehforschung - und auch Simulcasting - informiert, das Kind liegt aber einmal mehr bereits im Brunnen. Denn die Veröffentlichungen von Mediapulse über das 1. Semester 2014 könnten widerrechtlich sein - im Sinne des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb. Ein Dritter wurde hier im Wettbewerb begünstigt. Es wurden die Leistungen verschiedener Marktteilnehmer in unrichtiger Weise miteinander verglichen.