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Donnerstag
07.06.2018

Medien / Publizistik

Das Kampagnenbild der Online-Petiton

Das Kampagnenbild der Online-Petiton

Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der Alternative für Deutschland, war in diesen Tagen wieder einmal Trend. Der rechtsextreme Politiker schwärmte von der «ruhmreichen Geschichte», die «wir» haben, und sagte wieder etwas unendlich Dummes, das in vielen analogen und sozialen Medien zitiert wurde. Medienexpertin Regula Stämpfli kommentiert für den Klein Report, wie mediale Blitzkriege geführt werden.

Jede Umweltpolitikerin würde sich ähnlich viele Schlagzeilen, Kommentare, Retweets, Facebook-Posts beispielsweise über das Insekten-Massensterben vor Deutschlands Haustüren wünschen. Jede Aktivistin gegen die Plastik-Vermüllung der Weltmeere gäbe sich schon mit einem Zehntel der empörten Zuschriften, Leitartikel, Schlagzeilen, Retweets, Hashtags et cetera zufrieden. 

Der deutsche Pharma-Riese Bayer kauft Monsanto und beerdigt den Hass-Brand. Die Liste der Vergehen von Monsanto übersteigt die Anzahl möglicher Kolumnen-Zeichen. Hier nur so viel: «Bauern haben sich durch alle Instanzen geklagt, etwa, weil der Konzern ihnen verbietet, ihre Saat selbst weiter zu züchten und die Saat so manipuliert, dass das nicht geht. Auch im Moment hat Monsanto rechtlichen Ärger, diesmal wegen Dicamba. Der Unkrautvernichter (...) vernichtet ganze Ernten. Bauern klagen, US-Behörden ermitteln und verboten Dicamba zum Teil. (...) Auch um diese Klagen muss sich jetzt Bayer kümmern. Nun verschwindet Monsanto, die Geschichte bleibt. Nur Gutes enthält sie nicht.» («Süddeutsche Zeitung» vom 5. Juni)

Das ist die wirkliche Welt. Doch sie hat massenmedial keine Chance. Gauland punktet auf jeder Linie. Sogar das Zentrum für politische Schönheit, bekannt durch seine Medien- und Kunstaktionen gegen rechts, macht mit. Nach der unendlich dummen Gauland-Aussage, die allein deshalb formuliert wurde, damit medial genau das passiert, was jetzt geschieht, kommentieren die Schreibtischtäter wie wild. «Ignorieren sei keine Option», argumentieren die einen, die anderen lancieren eine Online-Petition. Change.org will ein Talkshowverbot für Alexander Gauland. Mit diesem Link können auch Sie unterschreiben. 

Qualitätsjournalismus unterscheidet zwischen Wichtigem und Unwichtigem. Ob Gauland weiterhin in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten seinen rechtsmotivierten Quatsch von sich geben darf oder nicht, ist nicht relevant – ausser, dass sich die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten fragen müssen, ob ihre Gebühren noch gerechtfertigt sind, wenn sie Volksverhetzern zwecks Quote ständig öffentlichen Raum zubilligen. Zudem gibt es öffentlich-rechtliche Beschwerdestellen. 

Viel wichtiger ist die Politik. Beispielsweise die Bayer-Monsanto-Geschichte. Denn nur öffentlicher Druck bringt die Politik beispielsweise punkto Artensterben und Umweltschutz in Bewegung. Der Diskurs über den Diskurs bringt gar nichts, ausser dass Big Business, Big Data, Big Lobby weiter ungeschoren unsere Lebensgrundlagen wegmonetarisieren können. Die Aufgabe der Vierten Gewalt besteht nicht darin, Beleidigungen aufzulisten und zu kommentieren. Die Vierte Gewalt bedeutet Machtkontrolle und die Befähigung, via Information zu politischen Handlungen beizutragen. Dies sollen sich auch mal die linksliberalen Medien zu Herzen nehmen oder noch lieber: endlich einfach machen.