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Montag
03.02.2014

Medien / Publizistik

Catherine Boss im Erzählcafé

Catherine Boss im Erzählcafé

«Nur recherchierte Texte sind in Zukunft etwas wert», war sich Sylvia Egli von Matt am Schweizer Recherchetag sicher. Die Direktorin der Schweizer Journalistenschule MAZ freute sich, dass der zweite Recherchetag ausgebucht war.

Auch Investigativjournalist Hans Leyendecker hielt ein Plädoyer für den Recherchejournalismus und kritisierte: «Journalisten recherchieren in der Regel noch viel zu wenig.» Die Aufdeckung der Flick-Parteispendenaffäre war die erste grosse Rechercheenthüllung des deutschen Journalisten Anfang der 1980er-Jahre gewesen und diese erste Enthüllung vergisst ein Journalist anscheinend nicht so schnell. «Die erste aufgedeckte Affäre bleibt für immer die erste Liebe.» Er riet seinen jungen Kolleginnen und Kollegen, auch bei eingeschränkten Ressourcen wenigstens eine gut recherchierte Geschichte pro Jahr zu machen, um diese erste grosse Liebe zu finden.

Weitere Tipps zur besseren Recherche gab es am Montag in Workshops und Erzählcafés. Nützliche Handgriffe, wie man in Unternehmen recherchiert, die nicht börskenkotiert sind, zeigte Christian Bütikofer von der «Handelszeitung», während «Beobachter»-Redaktor Thomas Angeli Tools zur Personenrecherche in 30 Minuten vorstellte und Julian Schmidli von der «SonntagsZeitung» Excel-Tabellen als Arbeitsinstrument anpries.

Im Erzählcafé wurden brisante Themen angesprochen. Lukas Hässig beschrieb, wie es ihm gelang, aus einem Kaffeegespräch mit einem Insider über die 72-Millionen-Abfindung von Daniel Vasella eine Geschichte für sein Portal Inside Paradeplatz zu machen. Der «Rundschau»-Redaktor Marc Meschenmoser zeichnete derweil noch einmal die Recherche im Fall Christoph Mörgeli nach und «Le Matin»-Journalist Ludovic Rocchi erzählte von der Hausdurchsuchung in Zusammenhang mit seinen Recherchen in der Plagiatsaffäre an der Universität Neuenburg. Er plädierte dafür, dass auch die Verlage ihre Verantwortung in puncto Informationssicherheit besser wahrnehmen müssten.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten am Recherchetag am Montag die Qual der Wahl zwischen Workshops zu verschiedenen Themen. Insgesamt fünfzehn Recherchejournalisten referierten über ihre Fachgebiete. Konrad Weber vom Schweizer Radio und Fernsehen SRF stellte Twitter als Arbeitsinstrument vor, wie das Öffentlichkeitsgesetz in der Recherche genutzt werden kann, erklärte Martin Stoll von der «SonntagsZeitung», MAZ-Studienleiter Dominique Strebel zeigte, wie verschiedene Arten von Justizdokumenten als Quellen verwendet werden können, bei Beat Rüdt ging es um die Analyse von Bilddateien und wemakeit-Co-Leiterin Rea Eggli zeigte Möglichkeiten zur Finanzierung von Rechercheprojekten mittels Crowdfunding auf.

MAZ-Studierende besuchten eifrig alle Kurse und fassten die wichtigsten Fakten auf dem MAZ-Blog zum Recherchetag zusammen. So ermöglichten sie den Teilnehmern Einblicke in nicht besuchte Kurse. Zudem fotografierten sie für den Blog alle Dozierenden mit einem Schild, auf dem geschrieben steht, was Recherche ihrer Meinung nach leisten soll.

Nach den Workshops stellte Dominik Balmer, der junge Gewinner des Tamedia-Förderpreises für investigativen Journalismus, fünf Thesen auf, die er aus den Diskussionen am Recherchetag gezogen hatte: «Big Data wird überschätzt, denn aus diesen Daten Geschichten herauszufiltern ist mit einem grossen Aufwand verbunden», stellte er in puncto Datenjournalismus fest.

Unter dem Eindruck von Ludovic Rocchis Erzählungen kam er ausserdem zum Schluss, dass der Quellenschutz wanke und die Medienhäuser hier gefordert wären, etwas für dessen Aufrechterhaltung zu tun. Eine Möglichkeit Quellen zu schützen sei, sie persönlich zu treffen und so keine digitalen Spuren zu hinterlassen. Lukas Hässigs Erzählungen hätten ihm ohnehin in Erinnerung gerufen, wie wichtig das gute alte Kaffeegespräch sei, gab Balmer zu Protokoll.

Zum Schluss sprach er auch lokale und internationale Recherchen an. Internationale Recherchenetzwerke seien wichtig, Journalistenkollegen vor Ort könnten eigene Thesen überprüfen. Jedoch dürften auch Recherchen im lokalen Bereich nicht unterschätzt werden. «Auch im Kleinen gibt es wichtige Hintergrundgeschichten», war sich Balmer sicher.