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Montag
13.05.2013

Matthias Steinmann, der für die Einführung des vorherigen Systems von GfK Telecontrol verantwortlich war, hat sich unaufgefordert mit einem Gutachten in die Diskussion um die TV-Zahlen eingeschaltet. «Es geht mir hier nicht darum, meinen Nachfolgern am Zeug zu flicken», schreibt Steinmann. Aber: «Die Tatsache, dass in der Schweiz zum ersten Mal seit 1985 im TV-Forschungsmarkt eine derartige Vertrauenskrise mit gerichtlichen Auseinandersetzungen besteht, kann mich längerfristig nicht kalt lassen.»

Der pensionierte Erfinder von Steinmann-Telecontrol und Steinmann-Radiocontrol betont seine Unabhängigkeit und weist proaktiv die Verbundenheit mit Telecontrol zurück. «Im Gegenteil: Ich prozedierte zwei Jahre gegen die GfK und dürfte dort heute persona non grata sein», führt er aus. «Fairerweise gilt es festzuhalten, dass das von der Mediapulse abgelehnte UMX-Verfahren in Portugal und in Deutschland (Adaption) funktioniert.»

Sein Fazit über die Umstellung ist ernüchternd. Steinmann spricht von einem «Desaster» - anders könne man es nicht bezeichnen - und stellt die Frage, «ob nicht ein Ende mit Schrecken einem Schrecken ohne Ende vorzuziehen wäre». Was er genau beenden möchte, führt er allerdings nicht aus.

Die Kritik Steinmanns geht von der Strategie für den Wechsel der Erhebungsmethode, über die Datenverarbeitung bis hin zum Vorgehen der Mediapulse während des TV-Zahlen-Ausfalls. Als ersten Fehler betrachtet er schon den Entscheid, gleichzeitig ein neues Messsystem, ein neues Panel, eine neue Software und ein neues ausländisches Panelinstitut an Bord zu holen. Die Schweizer TV-Forschungsverhältnisse gehörten «zu den kompliziertesten der Welt», so Steinmann.

Auch bei der Verlässlichkeit der Zahlen setzt Steinmann ein Fragezeichen. «Typischerweise steht im Reglement von Mediapulse Validität vor Reliabilität. Dies ist falsch», heisst es im Gutachten. Reliabilität beziehe sich auf die Zuverlässigkeit der Methode, das heisst, ob das System immer gleich systematisch messe und keine zufälligen Fehler beinhalte. Die Validität hingegen gebe an, ob das Ergebnis auch der Realität entspreche oder sehr nahe an sie herankomme.

«Validität setzt Reliabilität voraus, kann aber im Prinzip nur durch Plausibilitätsvergleiche mit anderen Forschungen und/oder früheren Forschungen abgesichert werden», folgert Steinmann. Deshalb müssten Wissenschaftler ganzen Zugang zu den Methoden erhalten. Geheimhaltungen seien in der Regel immer Hinweise auf Probleme mit der Reliabilität bzw. Validität. Und offensichtlich würden gerade in Bezug auf das Audiomatching kundenseitig Zweifel an der Reliabilität bestehen, insbesondere bei den Spill-in-Sendern, welche Programmbestandteile für die Schweiz austauschten (Werbefenster).

Nicht zuletzt fragt sich Steinmann, warum auf einen Parallelbetrieb verzichtet und «derart akzentuiert» die Unvergleichbarkeit betont worden sei. «Die Publikumsrealität hat sich doch nicht von einem Jahr zum andern derart verändert, und das bisherige System hat gemäss Wissenschaftlicher Medienkommission doch eigentlich gut gearbeitet», meint er. Er relativiert sein Gutachten am Schluss zwar noch mit der Aussage, dass er selbst «keinen Zugang zur neuen Forschung» der Mediapulse gehabt habe, schliesst aber mit dem Satz «Kann ja sein, dass ich mich völlig irre, was ich aber nicht glaube».

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