René Scheu, Feuilletonchef der «Neuen Zürcher Zeitung» und der politische Korrespondent der NZZ in Berlin, Benedict Neff, haben den Chef des «Axel Springer Verlag», Mathias Döpfner, in Berlin zum Interview gebeten.
Eine Tour d'Horizon: Von der Verantwortung des Journalisten in der Gesellschaft, der Abhängigkeit der Medien von Google über die allgemeine politische Situation in Deutschland bis hin zum Fall Relotius, wurde Döpfner befragt.
Überraschendes kam dabei wenig heraus, wenn man mal davon absieht, dass Döpfners Ende der 90er-Jahre, als er Chefredaktor der konservativen «Welt» wurde, eine geheime Wahl unter den Redaktoren veranstalten liess, die eine absolute Mehrheit für Rot-Grün ergeben hätte. «Das Ergebnis hat mich sehr überrascht», so Döpfner gegenüber der NZZ. Wie er Gegensteuer gäbe, wird er gefragt. Sein Ziel sei es nicht, junge Leute auf irgendeine politische Linie zu bringen, das wäre ja furchtbar, führt der Herr über «Bild», «Welt», «N24» und viele weitere Medienerzeugnisse aus. Neugier auf die Wirklichkeit sei der wichtigste Leitsatz in der Springer-Journalistenakademie.
Deutsche Journalisten seien also dem linksliberalen Meinungsspektrum zuzurechnen. Auch bei Springer. «Wenn Medien politische Positionen der Bevölkerung so verzerrt repräsentieren, führt das auf Dauer zu einer Entkopplung», beschreibt Döpfner die Gefahr für die Glaubwürdigkeit der Medien.
Döpfner greift im Interview im Zusammenhang mit dem Fall Relotius den «Spiegel» scharf an. «Der Fall hat etwas Systemisches, das mit dem 'Spiegel' zu tun hat». Darüber hinaus sei er aber auch ein Indiz dafür, was in der Branche schieflaufe. «Relotius hat einen Sound und eine Haltung geliefert, die seine Chefs wollten und die die Jurys der Journalistenpreise toll finden. Am Ende war es für ihn leichter, solche Geschichten zu erfinden, als jedes Mal aufwendig zu recherchieren».
Döpfner, der seit 2016 auch Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger ist, fordert explizit ein Leistungsschutzrecht, dass die Qualitätsarbeit der Journalisten schützt. Es ginge hier um das Grundprinzip, dass geistiges Eigentum geschützt werde, sagt er gegenüber der NZZ. In der analogen Welt sei dies nicht notwendig gewesen, weil niemand geistiges Eigentum kopiert habe, aber das habe sich mit dem Internet geändert. Und fügt hinzu: «Es ist übrigens kein Anti-Google-Gesetz».
Um gleich danach zu betonen, dass die Verlage nicht von Google profitierten, weil sie durch die Suchmaschine höhere Besucherzahlen auf ihren Websites generierten, sondern dass sie schlicht und einfach von Google abhängig seien. «Die Verleger sollten sich endlich in ganz Europa zusammenraufen und sich mit Google an einen Tisch setzen», denn Google sei mit seinen 95 Prozent Marktanteil ein «für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Versorgung notwendiges Unternehmen».