Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom Vorschlag der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates zur Änderung von Artikel 293 des Strafgesetzbuches (StGB) Kenntnis genommen. Er stellt den Entwurf nicht in Frage, wie der Klein Report am Freitag berichtet hat.
Mit der Änderung dieser Bestimmung, welche die Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen unter Strafe stellt, soll klar gestellt werden, dass die Gerichte zwischen dem Geheimhaltungsinteresse und dem öffentlichen Interesse zur Veröffentlichung abwägen müssen. Dies entspricht der Rechtssprechung des Bundesgerichts.
Die vorgeschlagene Gesetzesänderung sieht eine gerichtliche Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse und dem Veröffentlichungsinteresse vor. Für den Fall, dass das Interesse an einer Veröffentlichung stärker wiegt als das Interesse an einer Geheimhaltung, sieht der Kommissionsentwurf Straflosigkeit, das heisst einen Freispruch, und nicht wie bisher bloss Strafbefreiung, vor.
Der Bundesrat hält in seiner Stellungnahme zum Entwurf der Rechtskommission fest, dass die revidierte Bestimmung weiterhin die Meinungsbildung von Legislativ-, Exekutiv- und Justizbehörden schützen und somit sicherstellen soll, dass diese effizient und unabhängig arbeiten können. Auch Privatpersonen, die als Angeklagte, Opfer oder Zeugen an einem Straf-, Zivil- oder Verwaltungsverfahren beteiligt sind, werden weiterhin vor der Verbreitung von Informationen geschützt, die ihnen schaden könnte.
Deswegen sollen auch Journalisten weiterhin in die Verantwortung genommen werden. Diese müssen nach wie vor abwägen, ob die Veröffentlichung einer sensiblen Information angebracht ist.
Der Klein Report hat Martin Stoll, Geschäftsführer von öffentlichkeitsgesetz.ch und einer der wichtigsten Kritiker von Artikel 293 StGB, um eine Stellungnahme gebeten: «Der erneut zementierte Maulkorb-Artikel ermöglicht es dem Staat, in unangenehmen Situationen Medienschaffende unter Druck zu setzen und auf Linie zu bringen», so der bekannte Journalist gegenüber dem Klein Report.
«Der Bundesrat stellt uns Journalisten mit seinem Entscheid als potenzielle Landesverräter dar. Das sind wir nicht. Wir fragen uns vor jeder Publikation, ob ein öffentliches Interesse besteht, und posaunen nicht einfach so Staatsgeheimnisse in die Welt heraus.»