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Dienstag
06.12.2011

Nur einen Monat nach seinem Freund und langjährigen beruflichen Weggefährten Peter Uebersax ist am Wochenende der zweite grosse «Blick»-Chefredaktor verstorben, der das Boulevardblatt ebenso prägte: Martin Speich, der den «Blick» zur auflagestärksten Zeitung des Landes machte und ihn in die schwarzen Zahlen führte.

Speich war der langjährigste «Blick»-Chefredaktor in der an Chefs reichen Geschichte der Zeitung, von 1964 bis 1973, und - ein neuer Begriff für die schweizerische Verlagswelt! - während sechs Jahren auch in Personalunion Redaktionsdirektor, also Chefredaktor und Verlagsleiter in einer Person.

Martin Speich war 1961 zusammen mit Peter Uebersax und seinem Bruder Sebastian Speich, späterer langjähriger «Cash»-Redaktor und EU-Korrespondent in Brüssel, zum «Blick» gestossen, nachdem die drei bereits zusammen die Zürcher Niederlassung der Nachrichtenagentur UPI aufgebaut hatten.

Sofort kam es zum Kulturkampf in der Redaktion: auf der einen Seite die drei Agenturprofis, welche auch druckfertig Englisch schreiben und sich auf eine Universitätsausbildung abstützen konnten, und auf der anderen Seite die wilden Haudegen der frühen «Blick»-Jahre, angeführt von Werner Schollenberger, die alsbald einen Putsch gegen Uebersax inszenierten, bei welchem einzig die beiden Speich-Brüder aufseiten des Chefredaktors standen.

Auf Drängen von Uebersax blieb Speich nach dessen Ausscheiden dann gleichwohl beim «Blick» («sonst wird die Zeitung ein gelbes Heftli», warnte Uebersax vor seinem Nachfolger), konnte die Chefredaktion, zu dreien mit Charles La Roche und Claus Wilhelm, jedoch erst nach einer der gewaltigsten Fehlleistungen in der Schweizer Pressegeschichte übernehmen, das heisst ein Jahr, nachdem der «Blick» unter Werner Schollenberger Papst Johannes XXIII zu früh tot gemeldet hatte.

Das Triumvirat an der Spitze des «Blicks» war für alle Beteiligten unbefriedigend und 1967 drohte Speich mit Kündigung und wollte zum «Tages-Anzeiger» wechseln, der zusammen mit der Basler «National-Zeitung» die Konkurrenz-Boulevardzeitung «Neue Presse» plante.

Speich pokerte hoch, wurde zurückgehalten und zum Redaktionsdirektor und alleinigen Chefredaktor befördert. Und Peter Uebersax kehrte wieder einmal von einem UPI-Posten in die Schweiz zurück, um seinerseits die «Neue Presse» zu lancieren.

Als die «Blick»-Redaktion kurze Zeit später brannte, zeigte sich, dass die persönliche Freundschaft zwischen Speich und Uebersax mehr wog als beruflicher Ehrgeiz: Uebersax bot Speich Gastrecht und der Blick wurde in jener Nacht auf den Maschinen der «Neuen Presse» gedruckt.

Martin Speich verstarb am Wochenende 79-jährig auf der Demenzstation des Spitals Affoltern, wie seine ehemalige Ehefrau Suzanne Speich auf Anfrage des Klein Reports am Montag bestätigte. Vor elf Jahren, als Speich an einer Broschüre für die Deutsche Alzheimervereinigung arbeitete, hatte er die aufkeimende Krankheit an sich selbst diagnostiziert. Er war drei Mal verheiratet, unter anderem mit der Journalistin Suzanne Speich. Er hinterlässt Ehefrau Doris, drei Töchter und acht Enkelkinder.

Aus der aktuelleren «Blick»-Geschichte, am 29.4.2011: Deutsche Medienkritiker würdigen «Blick»-Chef