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Donnerstag
11.12.2014

Medien / Publizistik

Spillmann-Klein_Report_1

Die Gerüchteküche um den Abgang von NZZ-Chefredaktor Markus Spillmann brodelt. Nicht zuletzt, weil weder der Verwaltungsrat noch Spillmann sich zu den Umständen äussern wollen, die zum Rücktritt geführt haben.

An der Betriebsversammlung der NZZ am Dienstagnachmittag seien Fragen der überraschten Mitarbeiter nach den konkreten Gründen für die Trennung von den Verantwortlichen abgeblockt worden, berichtet die «TagesWoche».

Etienne Jornod, Verwaltungsratspräsident der NZZ-Mediengruppe, schrieb dafür für die NZZ eine Hommage an den «profilierten Journalisten» und «innovativen Gestalter» Markus Spillmann.

«Es war stets die Stimme der Vernunft, die in seinen Artikeln in verständlichem und zugänglichem Stil zu Wort kam. Das Plädoyer für eine selbstbewusste Mitte war sein Anliegen, das von der Leserschaft mit grosser Zustimmung aufgenommen wurde», so Jornod in seinem Artikel, der fast so entrückt wirkt, als handle es sich um einen Nachruf.

CEO Veit Dengler meldete sich weitaus salopper zu Wort. Auf Twitter schreibt er zu Jornods Artikel: «Vielen Dank für alles, Markus. Ich hoffe, wir werden noch viel von Dir lesen und hören.»

Jornod hofft zwar, dass Spillmann «der NZZ in einer anderen Rolle weiterhin verbunden bleiben wird». Der abgesetzte Chefredaktor und publizistische Leiter scheint indessen innerlich bereits Abstand zu nehmen. Auf Facbook schreibt Spillmann Albert Einstein zitierend: «Zwei Dinge sind zu unserer Arbeit nötig: Unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft, etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen.»

Das Echo der Journalistinnen und Journalisten auf den Abgang war am Dienstagnachmittag gross. Vor allem auf Twitter diskutierten sie über die Gründe für den Rücktritt und handelten gerüchteweise bereits Markus Somm als möglichen Nachfolger.

In den Tageszeitungen blieben die Artikel zum Abgang des Chefredaktors ungewöhnlich meinungslos. Nur wenige Kommentare wurden zum Thema verfasst:

In seinem Kommentar für den «Tages-Anzeiger» geht Christian Lüscher mit Spillmann kritisch ins Gericht: «Man muss Spillmann zugutehalten, dass er eine Redaktion verantwortete, die international einen hervorragenden Ruf geniesst. Aber für das digitale Geschäft ist Spillmann der Falsche. Seine NZZ entsprach im Netz nicht dem Renommee der Marke. Deshalb ist der Entscheid für einen Wechsel richtig. Das Unternehmen hat nun die Chance, eine Person an die Spitze der NZZ zu setzen, die den Wandel besser versteht und die Redaktion inspiriert», beurteilt Lüscher die Situation.

Lüschers Kommentar «Eine wichtige Chance für die NZZ» wurde auch von der «Basler Zeitung» übernommen.

Daniel Fuchs und Thomas Schlittler formulieren ihre Kritik in der «Aargauer Zeitung» vorsichtiger: «Spillmann jedoch ist ein Traditionalist, der in der digitalen Welt nicht wirklich zu Hause ist. Zwar hat er die Bezahlschranke für Online-Artikel eingeführt sowie die Online- und Print-Redaktionen zusammengelegt. Kritiker bemängeln jedoch, dass das alleine nicht genüge. Um online wirklich durchzustarten, brauche es auch neue Köpfe, die in diesem Bereich gross geworden sind.»

Die Leser der «Neuen Zürcher Zeitung» äusserten sich mit Online-Kommentaren zur Rücktrittsmeldung. Viele von ihnen diskutierten über die Angst, das Niveau der NZZ könnte sinken, und über die aktuelle und künftige politische Linie der Zeitung.

«Bleibt zu hoffen, dass die NZZ ihr (einst sehr) hohes journalistischen Niveau in Zukunft vermehrt hochhält und nicht zunehmend in den Sumpf des Boulevard-Mainstream absinkt», so ein Leser.

Manche begrüssten den Abgang von Spillmann: «Es ist allerhöchste Zeit, dass es bei der NZZ einen Kurswechsel gibt. Vom ehemaligen liberalen Gedankengut war bei der NZZ schon lange nichts mehr vorhanden.»

Während andere ihn bedauerten: «Wer kann es besser? Spillmann hat der NZZ eine Linie gegeben, die sehr offen war. Alles, was Spass macht, war OK. Möge die NZZ diese Offenheit behalten.»

Eine Leserin sah nach der Nachricht vom Abgang Spillmanns gar das Ende der NZZ voraus: «Adieu `Marke` NZZ. Kein Druckzentrum mehr, keinen hervorragenden Chefredaktor mehr. Bald keine NZZ-Leser mehr.»