Seit Tamedia angekündigt hat, das «Berner Modell» in seiner heutigen Form zu begraben, hagelt es von allen Seiten Kritik. Medienschaffende von «Bund» und «Berner Zeitung» haben sich mit einem Manifest gewehrt, Politikerinnen und Politiker befürchten einen Verlust an Medienvielfalt.
Im Interview mit dem Klein Report sagt Manfred Bühler (42), Berner Ex-SVP-Nationalrat und Präsident der Aktion Medienfreiheit, dass mit der Zusammenlegung weniger differenziert berichtet wird - und warnt vor Abhängigkeiten bei der staatlichen Medienförderung.
Eine Serie zum Medienplatz Bern von Jonathan Progin, Kai Vogt und Ursula Klein.
Journalistinnen und Journalisten bei der «Berner Zeitung» und dem «Bund» haben sich mit einem Manifest gegen den geplanten Stellenabbau in den Redaktionen gewehrt. Wie schätzen Sie das ein? Was sind Ihre Möglichkeiten als Politiker darauf zu reagieren?
Manfred Bühler: «Die Wirtschaftsfreiheit ist wichtig, demnach sollte die Politik nur in sehr seltenen Fällen in unternehmerische Entscheidungen eingreifen. Die Politik darf diese aber selbstverständlich kritisieren. Persönlich finde ich die Strategie von Tamedia kreuzfalsch.»
Wie stehen Sie grundsätzlich zur Entscheidung des Tamedia-Konzerns, die Redaktionen von «Berner Zeitung» und «Bund» zu fusionieren?
Bühler: «Eine abonnierte Zeitung muss heute einen Mehrwert gegenüber Internet und Gratiszeitungen aufweisen. Das kann vor allem mit lokalen News geschehen. Mit der Zusammenlegung wird jedoch genau dieser Aspekt leiden, weil die Kapazitäten schrumpfen werden. Es verschwindet auch die Möglichkeit, differenziert über die Ereignisse zu berichten. Der Leser hat nur noch eine Quelle und die Chance, dass er nicht mehr das findet, was er will, steigt, und folglich wird sich die Leserschaft noch eher von der Zeitung abwenden.»
Der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried moniert, dass Tamedia mit diesem Schritt «die eigenen wirtschaftlichen Interessen höher gewichtet als ihre medienpolitische Verantwortung». Stimmen Sie dieser Aussage zu?
Bühler: «Es ist tatsächlich so, dass Zeitungen eine wichtige Rolle spielen in der politischen Meinungsbildung. Man darf jedoch nicht davon ausgehen, dass die medienpolitische Verantwortung über allem steht, sonst müsste man logischerweise sagen: Der Staat muss alle Zeitungen finanzieren, damit nie eine verschwindet… Das kann es nicht sein. Eine gesunde wirtschaftliche Situation ist mindestens gleich wichtig. Deshalb müssen die unternehmerischen Entscheidungen stimmen. Der grosse Erfolg der Regional- und Lokalzeitungen zeigt, dass man heute noch erfolgreich sein kann mit gedruckten Zeitungen.»
Politik und Gesellschaft in Bern beklagen einen Verlust an Medienvielfalt. Am Medienplatz Bern stehen derzeit Projekte wie «Neuer Berner Journalismus» und «Neue Berner Zeitung» sowie die Idee eines Onlinemagazins der Bewegung Courage Civil in der Anfangsphase. Weshalb glauben Sie, ist die Medienvielfalt in Bern dennoch gefährdet?
Bühler: «Wenn zwei Redaktionen und Zeitungen zusammengelegt werden, ist es klar ein Verlust der Vielfalt, vor allem wenn es sich um grosse Zeitungen mit viel Leserschaft handelt. Kleine Onlinemagazine sind zwar interessante Optionen, ich befürchte jedoch, dass dies nicht genügen wird, um ein grosses Publikum zu erreichen.»
Was wünschen Sie sich für den Medienplatz Bern?
Bühler: «Mehr unternehmerischer Geist, zum Beispiel beim Finanzierungsmodell der Zeitungen und Medien. Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten bei der Gewinnung von Inserenten, neue Finanzierungsquellen im Onlinebereich et cetera. Nur wenn eine starke Finanzierung sichergestellt ist, kann man auch viele gute Journalisten beschäftigen und ein gutes Medium herausgeben.»
Welche Medien haben Sie persönlich momentan abonniert und welche Onlinemedien konsumieren Sie?
Bühler: «,Le Journal du Jura’ und die ‚Weltwoche’. ‚Bund’ und BZ konsultiere ich vor allem online, zudem die welschen Medien wie RTS, Radio Jura bernois et cetera.»
Im Bundeshaus wird heftig über Medienförderung debattiert. Eine weitere Entscheidung über das Förderpaket für Print- und Onlinemedien steht in der Sommersession bevor. Kurzgefasst: Was ist ihre Position zu staatlichen Geldern für private Medien?
Bühler: «Auf keinen Fall sollte man Onlineportale finanzieren. Man sollte die Presseförderung eigentlich auf die Zustellverbilligung beschränken. Alles andere ist gefährlich und schafft Abhängigkeiten. Es werden beispielsweise immer wieder ‚Beiträge für Qualitätsjournalismus’ gefordert, weil es wichtig für die Demokratie sei. Aber bloss: Was ist Qualitätsjournalismus? Das ist völlig subjektiv und man kann es nicht normativ definieren. Muss man dann eine Art Kommission einsetzen, die entscheidet, welches Medium gut genug ist und daher Geld bekommen wird und welches Medium nicht gut genug ist und kein Geld bekommen wird?»
Können Sie ein Beispiel geben?
Bühler: «Wenn in dieser Kommission eine Mehrheit sitzt, welche zum Beispiel der Meinung ist, man müsse alle Pestizide verbieten, werden dann alle Gelder gestrichen, welche an Medien gehen, die das differenzierter sehen? Das kann nicht funktionieren.»
Nicht nur auf nationaler Ebene, auch eine Ebene tiefer sind Förderfranken in Reichweite: Der Kanton Bern plant eine Revision des Informationsgesetzes, um künftig auch Medien indirekt zu fördern. Inwiefern unterstützen Sie dieses Unterfangen?
Bühler: «Aus denselben Gründen wie bereits erwähnt bin ich skeptisch. Je nachdem wie die Debatte im Grossen Rat sein wird, bin ich aber bereit, sachlich darüber zu debattieren, wenn die Förderung in einem vernünftigen Rahmen erfolgt.»