Die Frage, ob und wie klassische Print-Medien noch zu retten sind, beschäftigte die Protagonisten am «JournalismusTag 18» in Winterthur. Darüber, ob neue Werbeformen, neue Geschäftsmodelle oder am Ende doch Vater Staat die Rettung bringen sollen, wurde bei der Jahreskonferenz des Vereins Qualität im Journalismus mitunter hitzig debattiert.
Zu Werbeformen wie Native Advertising oder Sponsored Content stellte sich bereits am Donnerstagnachmittag die Gretchenfrage: «Wie haltet ihr es mit der Trennung von Redaktion und Werbung» wurden Norman Bandi, Leiter NZZ Content Solutions , Viktoria Weber von Watson und «Republik»-Redaktor Dennis Bühler, der gleichzeitig Mitglied des Presserates ist, gefragt.
Wie weit die Ansichten auseinandergehen, zeigte sich in der Debatte unter der Leitung von Judith Wittwer, Chefredaktorin des «Tages-Anzeigers»: So hegte Bühler Zweifel an vielen der gängigen Werbeformen, ob diese aus Sicht des Presserates überhaupt ausreichend gekennzeichnet sind und ob beim ganzen Prozess die Unabhängigkeit der Redaktion gewährleistet ist.
Gleichzeit betonten Norman Bandi und Viktoria Weber die wirtschaftlichen Vorteile der strittigen Werbeformen: «Wir versuchen die Werbeerträge, die ins Digitale gehen, in diesem Bereich zurückzuholen. Das schaffen wir noch nicht ganz, aber wir sind nun bei zwei Dritteln angekommen», so Norman Bandi. Für Formen wie Native Advertising gibt es allerdings innerhalb der NZZ eine Obergrenze: «In der `NZZ am Sonntag`gibt es höchstens eine Native-Geschichte pro Ausgabe. Und das Flaggschiff NZZ bleibt frei von Native Ads», so Bandi.
Viktoria Weber von Watson zeigte sich deutlich offener: «Native ist für uns ein wachsendes Feld, während Display stirbt. Es ist aus unserer Sicht eine Möglichkeit, angenehm Werbung zu machen. Wenn das mehr Kunden wollen, machen wir das auch.» Dennis Bühler bremste die Euphorie und mahnte: «Wir setzen die Glaubwürdigkeit der Branche auf Spiel.» Es folgte eine hitzige Diskussion, in die sich auch die Zuhörerinnen und Zuhörer einbrachten.
Turbulent blieb es auch bei der nächsten Runde. Oliver Schröm von Correctiv fehlte dort nämlich aufgrund seiner Cum-Ex-Recherchen, wie Moderator Franz Fischlin erklärte. «Sein Anwalt hat ihm von einer Reise in die Schweiz abgeraten, er wäre von der Staatsanwaltschaft einvernommen worden.» Dann kamen SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, Patrik Müller von CH Media und Sara Maria Manzo, die bei SRF Videoformate für junge Zuschauer entwickelt, wieder zurück zur Grundsatzfrage: Braucht die Schweizer Medienlandschaft (staatliche) Hilfe?
«Im gedruckten Sinne sind Zeitungen langfristig zum Sterben verurteilt, aber das ist nicht entscheidend», plädierte Patrik Müller. Denn: «Wir haben kein Reichweitenproblem», sagte der Chefredaktor der Zentralredaktion von CH Media. Auch Manzo zeigte sich überzeugt, dass man neue Formen finden wird, die auch die Jugend zurück ins Medienboot holen. «Junge Menschen sind nicht unpolitisch. Es ist eine Frage der Erzählweise, sie zu erreichen.» Als positives Beispiel blickte Sara Maria Manzo über die Landesgrenze. «Die 'Zeit' ist vorbildlich mit ihren Veranstaltungen und dem direkten Kontakt zu den Usern. Es ist nicht alles im Niedergang.»
Anders sah es die SP-Politikerin in der Runde. «Die Zitrone ist ausgepresst auf der Ausgabenseite. Es ist an der Zeit, dass Verleger und SRG zusammengehen und auf der Einnahmenseite schauen», so Jacqueline Badran. Denn ansonsten würden die Medien erdrückt von der immer grösseren Anzahl von Anbietern in der Wertschöpfungskette. Man solle damit aufhören, die Situation schönzureden.
Zum Schluss der Veranstaltung griff die scheidende Medienministerin Doris Leuthard zum Mikrofon. Die Bundesrätin machte deutlich, dass es aus ihrer Sicht nicht Aufgabe des Staates ist, «etablierten» Medien, also allen voran den Print-Medien, mit direkten Förderungen unter die Arme zu greifen. «Lange haben die Verleger gesagt, dass sie sicher keine Presseföderung wollen. Jetzt hat es offenbar einen Sinneswandel gegeben und viele sagen `bitte bitte Staat, hilf uns!`.»
Doch solche Hilfeleistungen sind im neuen Mediengesetz nicht vorgesehen. «Die Transition hin zum Internet ist unaufhaltbar», so Leuthard. «Wer zu spät ist, den bestraft das Leben. Mehr Geld vom Staat wird den Wandel nicht aufhalten.» Eine Unterstützung sei allenfalls im Digitalbereich denkbar – Print hingegen ist demnach klar ein Auslaufmodell.
Leuthard, die nach eigenen Angaben Gratiszeitungen absetzen würde, wenn sie selber Verlegerin wäre, gab zum Schluss noch eine Wasserstandsmeldung zum neuen Mediengesetz nach Abschluss der Vernehmlassung. «Das Modell der unabhängigen Kommission ist durchgefallen», sagte sie in Anlehnung auf die vom Bundesrat geplante «Kommission für elektronische Medien» (KOMEM). «Sie ist in dieser Form weg vom Fenster», erklärte Doris Leuthard. Damit bleibt die SRG-Konzession weiterhin in den Händen des Bundesrates.