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Dienstag
24.07.2018

Medien / Publizistik

Kein Print – nur noch online: lematin.ch

Kein Print – nur noch online: lematin.ch

Das Aus der Print-Ausgabe von «Le Matin» ist Tatsache: Seit Samstag gibt es die Westschweizer Boulevardzeitung nur noch online. Die letzte Titelseite war einer Todesanzeige nachempfunden. Auch innerhalb der Redaktion wurde getrauert.

Mit einer 64-seitigen Spezialausgabe nahm «Le Matin» Abschied von der Schweizer Presselandschaft. Auf der Titelseite prangte eine in Schwarz-Weiss gehaltene Todesanzeige mit den Namen aller Angestellten, die gemeinsam «zutiefst bekümmert» die Einstellung des 125-jährigen Blattes mitteilten.

«Der letzte Arbeitstag war ein langer, emotionaler und bewegender Tag», sagte Grégoire Nappey, Ex-Chefredaktor von «Le Matin», gegenüber dem Klein Report. «Am Ende konnten einige die Tränen nicht zurückhalten, und niemand hatte Lust, die Redaktion zu verlassen.»

Für Nappey, der die Zeitung als Digitalmarke nicht mehr führen wollte, ist die Einstellung der Print-Ausgabe ein «historisches Ereignis» für die Westschweizer Medienlandschaft: «Ohne ‹Le Matin› gibt es kein populäres Medium mehr, das über die ganze Romandie berichtet. Die Zeitung wurde in vielen Bistros regelmässig gelesen.»

Die Anteilnahme war innerhalb der Branche gross: So nahmen die Titel «Tribune de Genève» und «24 heures» ebenfalls mit einer Traueranzeige Abschied vom ehemaligen Konkurrenzblatt. Auch von den Leserinnen und Leser gab es «trotz Ferienzeit viele Reaktionen und Solidaritätsbekundungen», wie Nappey feststellte.

Der ehemalige «Le Matin»-Chef kann die Entscheidung von Tamedia bei aller Kritik teilweise verstehen: «Es ist normal, etwas an einem nicht rentablen Produkt mit hohen Verlusten zu verändern. Allerdings liegt es nicht an mir, Sachen der Geschäftsleitung zu kommentieren.»

Vincent Donzé, Redaktor bei «Le Matin», findet deutlichere Worte zur Einstellung der Print-Ausgabe: «Es ist schwierig zu verstehen, vor allem in Anbetracht dessen, dass Tamedia Gewinne schreibt. Ich dachte, die Aufgabe eines Verlags sei es, zu informieren – und nicht die Aktionäre zu belohnen.»

Mit dem Aus schliesse sich auch ein Tor zur öffentlichen und politischen Debatte, erklärte Donzé dem Klein Report. Auf die Frage, inwiefern sich die Online-Angebote von lematin.ch und 20minutes.ch nun unterscheiden, weiss Donzé keine Antwort: «Ich weiss es ehrlich gesagt nicht. Ich liefere meine Artikel, die ich über den Arc Jurassien verfasse, an beide Adressen. Die Baustelle scheint sich also eher zu vergrössern.»

Seit «Le Matin» nicht mehr gedruckt wird, bleiben in der mittlerweile rein digitalen Redaktion zehn Journalisten übrig, wie der neue «Le Matin»-Chefredaktor Laurent Siebenmann gegenüber dem Klein Report sagte. «Dazu kommen noch Sportjournalisten aus dem internen Tamedia-Service SportCenter und die Generalisten von Newsexpress.»

Auf der Webseite lematin.ch soll an den «grossen Erfolg von ‹Le Matin› in der Westschweiz» angeknüpft werden: «Ein bisschen Unverschämtheit, liebevolle Portraits, Exklusivberichte, Sport, Lokales und Verschiedenes sowie Humor und Populärkultur. Wir wollen, dass sich unsere Leserinnen und Leser wie bei sich zu Hause fühlen», so Siebenmann über die neue Digitalmarke aus Lausanne.