Content:

Sonntag
16.05.2010

«Der Publigroupe-Chef Hans-Peter Rohner macht längst kein Geheimnis mehr daraus, dass er am Dienstag gerne zum neuen SRG-Generaldirektor gewählt werden möchte. Seine Offensive in eigener Sache, aus einer Position der vermeintlichen Stärke heraus, dürfte ihm aber eher geschadet als genützt haben.» Das schreibt Hanspeter Bürgin in der jüngsten Ausgabe der «SonntagsZeitung» (SoZ). Nun würden die Kritiker aus der Deckung hervortreten und verweisen auf den mangelnden Leistungsausweis von Rohner. Im Übrigen habe er keine Erfahrung mit TV- oder Radio-Inhalten.

Und bei den Mitarbeitern der Publigroupe mache sich die Stimmung breit, der Kapitän verlasse ein sinkendes Schiff, heisst es im Bericht des «SonntagsZeitung». «Mit grösster Besorgnis» hat Thomas Bargetzi von der Kandidatur Rohners Kenntnis genommen. «Mit ihm meldet sich erstmals ein früherer Spitzenmann zu Wort, der den Publigroupe-Chef offen kritisiert. Bargetzi war geholt worden, die berühmte `All-Media-Sales-Strategie` umzusetzen. Als die Übung vor einem guten Jahr abrupt abgebrochen wurde, weil sie nicht funktionieren konnte», wird Bargetzi in der SoZ zitiert, «wurde er abgeschoben».

Thomas Bargetzi sagte gegenüber dem Klein Report am Sonntag: «`Abgeschoben`, na ja. Ich habe mich gegenüber dem Verwaltungsrat, damals noch ohne Hans-Peter Rohner, sehr klar ausgedrückt, was ich von der Strategie halte, weil ich, im Gegensatz zu den geistigen Vätern der All-Media-Strategie, tagtäglich spürte, dass da etwas nicht ganz durchdacht war. Bereits nach drei Monaten habe ich Alarm geschlagen. Passiert ist nichts, ausser dass eine Beratungsfirma nach sechsmonatiger Analyse zum selben Fazit gelang. Seither sucht man verzweifelt eine Lösung.»

Die gesamte Crew von sieben Personen in der Schweiz, welche die All-Media-Sales hätten umsetzen sollen, seien bis auf eine Person nicht mehr on board, so Bargetzi. «Weil man nicht hören wollte, haben die P gewichtige Verlage verlassen, die einfach nicht verstehen konnten, was sich die Publicitas hier überlegt hat», sagte der ehemalige Kadermann gegenüber dem Klein Report weiter.

Ein weiterer P-Kadermann, der anonym bleiben will, spricht in der «SonntagsZeitung» von einer «zwiespältigen Stimmung», die Rohners Kandidatur ausgelöst habe. «Die letzten zwei Jahre haben uns extrem durchgeschüttelt, weshalb wir dringend Stabilität brauchen.» Deshalb würde er Rohners Abgang bedauern. Die Basis aber spreche von einer Fahnenflucht.

«Irritiert» reagiert man auch auf Kundenseite. «Das ist ein neuer Vertrauensverlust für die Publigroupe», sagt ein Zürcher Verlagsmanager. Rohners Absetzbewegung verstärke den Eindruck, «dass es nicht gut läuft». Die Bilanz des Anzeigenvermittlers ist zwar immer noch solide, aber Gerüchte über Liquiditätsprobleme zirkulieren immer wieder. Ein langjähriger Verlagsprofi im Raum Zürich verbreitet das Bonmot: «Seit Rohner bei der Publigroupe an der Spitze steht, geht es nur noch abwärts.»

Rohner, der als liebenswürdiger und umgänglicher Mensch geschätzt wird, hat objektiv gesehen tatsächlich gravierende Fehlentscheide und teure Fehleinschätzungen zu verantworten. «So musste er mehrere zehn Millionen Franken an Goodwill auf Firmenkäufe abschreiben», hält die SoZ im Beitrag zur Rohners Kandidatur zum SRG-Generaldirektor fest.

Der Nominationsausschuss der SRG hat den VR-Mitgliedern eine Liste mit Namen zugestellt. Auf dem Papier befinden sich Hans-Peter Rohner, FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger sowie ein weiterer Kandidat. Der neue SRG-Direktor soll am Dienstag vom 9-köpfigen VR gewählt werden, dann von den 50 Delegierten bestätigt oder abgenickt werden.