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Dienstag
17.08.2010

Medien / Publizistik

Das vom Zürcher Soziologieprofessor Kurt Imhof am vergangenen Freitag der Öffentlichkeit vorgestellte Jahrbuch zur Qualität der Medien ist brisant. Nachdem erst vor wenigen Wochen das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) mit einem ernüchternden - von den Medien meist widerspruchslos geschluckten - Befund zur Qualität der regionalen Radio- und TV-Sender an die Öffentlichkeit getreten ist, geraten nun auch die Print- und Onlinemedien in das Kreuzfeuer der Kritik. Andreas Meili, Medienrechtsanwalt und QM-Berater für elektronische Medien, ordnet die Studie für den Klein Report ein.

Geortet wird eine eigentliche «Qualitätserosion in der grossen Tradition der schweizerischen Publizistik». Schuld sollen jene Verlage sein, die Gratismedien betreiben, da diese die Qualität der Informationsmedien «unterminieren» und «den wichtigsten Service Public in der Demokratie schwächen». Damit nicht genug. Diese Medien würden «den Konzentrationsprozess befördern, das Berufsprestige des Journalisten schwächen und die Unzufriedenheit unter den Journalisten erhöhen».

Starke Worte. Untermauert mit Analysen, Grafiken und Zahlen. Alles objektiv und wissenschaftlich, wie es sich für eine ordentliche Studie der Universität Zürich gehört. Aber nur, was die Fakten angeht. Die Schlussfolgerungen, die aus dieser Studie gezogen werden, erinnern weniger an einen nüchternen Befund, sondern kommen in Form von subjektiven Befindlichkeiten, Sorgen und Ängsten ihrer Autoren zum Ausdruck. Das mag alles verständlich sein, gerade auch, wenn man sich die Autoren und vor allem die Förderer dieser Studie genauer ansieht. Dazu gehören nicht nur relativ viele Vertreter der älteren Generation, die mit den neuen (meist gratis nutzbaren) Medien meist wenig gemein haben und - These - deshalb zu einer Fehl- und Überinterpretation der angeblichen Schädlichkeit dieser Medien für die Demokratie neigen.

Zu den Förderern gehören auch erstaunlich viele Stiftungen aus dem Wirtschafts- und namentlich aus dem Bankensektor, der in den letzten Jahren sehr häufig selber Gegenstand kritischer Berichte in den Medien geworden ist. Es stellt sich deshalb zum einen die Frage, ob die Verfasser dieser Studie ein genügendes Verständnis für die (veränderten) Nutzergewohnheiten jüngerer Medienkonsumentinnen und -konsumenten besitzen, und zum anderen, ob deren Verfasser genügend unabhängig an ihr Werk gehen konnten. Aussagen wie die übertriebene und im Einzelnen nicht gerechtfertigte Verteufelung der Gratismedien als schwächender Faktor des Service Public in der Demokratie lassen Zweifel daran aufkommen. Der Leser fragt sich, was dahinter steckt. Berechtigte Bedenken über die Entwicklung des Informationsangebots, politisch-ideologische oder gar handfeste wirtschaftliche Interessen? Hier besteht sicher noch (Er-)Klärungsbedarf.

Eher rückwärtsgerichtet (Motto «früher war alles besser») und methodisch fragwürdig ist auch, dass die klassische Bezahlzeitung quasi als Benchmark für die Beurteilung der Qualität der anderen Mediengattungen genommen wird. Neue Medien sind nicht nur deshalb neu, weil sie andere Verbreitungstechnologien benutzen, sondern auch, weil sie Informationen anders aufbereiten, was nicht schlechter bedeutet. Auch die der Studie von Prof. Imhof zugrunde liegende Annahme, dass über Aboerlöse bezahlte Angebote qualitativ besser sind als solche, die über andere Erlösquellen verfügen, ist keineswegs zwingend, zumal gerade Gratismedien heute teilweise über starke Redaktionen verfügen und hohe Nutzerwerte ausweisen, die in einer ernsthaften Qualitätsdiskussion nicht ausgeblendet werden dürfen.

Der Studie ist zugute zu halten, dass sie sich dem Thema der Qualität der Medien annimmt und auch vor kritischen Bemerkungen nicht halt macht. Ärgerlich an der Studie ist, dass deren Autoren - oder deren Auftraggeber - mehr wollen als sie sollen und können. So verschwimmen die Grenzen zwischen messbarer Ursachenforschung (z.B. zum Einfluss von Gratismedien auf das Mediennutzungsverhalten), schwer mess- und bewertbarer Qualität der verschiedenen Mediengattungen (zum Beispiel das pauschale Urteil, Gratiszeitungen und Newssites «reduzieren die Welt auf Agenturmeldungen» oder die von persönlicher Abneigung gefärbte Abqualifizierung der Gattung der regionalen Radio- und TV-Sender) und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen in Bezug auf die Auswirkungen der festgestellten Qualitätserosion auf unsere Gesellschaft.

Die Studie wäre glaubwürdiger, wenn sie auf die pauschale und tendenziöse Diskreditierung ganzer Mediengattungen verzichtet hätte.