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Montag
23.04.2012

Mit 50 dachte Klaus J. Stöhlker, der umstrittenste und strittigste PR-Profi des Landes, in zehn Jahre wolle ihn wohl keiner mehr, und bereitete seine beiden Söhne darauf vor, die Stöhlker AG für Unternehmensberatung zu übernehmen. Und arbeitete weiter, losgelöst von Managementaufgaben und Personalverpflichtungen, und der Aufträge wurden immer mehr. Dann wurde er 60 und dann 70, and he is still going strong. Nur diesen Sommer wird er Pause machen und ein Buch schreiben, das wohl wieder im ganzen Land Staub aufwirbeln wird.

«Das Jahr ist so aufgeteilt, dass ich immer im Sommer die grossen Sachen schreibe», sagt Stöhlker im Gespräch mit dem Klein Report, «deshalb habe ich meinen Blog jetzt auch geschlossen.» In einem Sommer, vor genau 30 Jahren, war es auch gewesen, dass er «Wahlkampf von A bis Z» geschrieben hatte, für die jung aufkeimende SVP, und sich damit schwer in die Nesseln setzte, seinen Job bei Wirz verlor (er war, mit 49 Prozent Aktien, damals Gründungspartner von Wirz & Partner) und auch gleich aus der Schweizerischen PR-Gesellschaft geschmissen wurde.

«Das war, rückblickend gesehen, neben meiner Ehe der zweite grosse Glücksfall in meinem Leben», kann er heute lachen, «die Umstände zwangen mich, selbstständig zu werden, und die Stöhlker AG hat in drei Jahrzehnten nicht einmal rote Zahlen geschrieben.» Stöhlker hatte, vor allen anderen Deutschen, die Jahrzehnte später kamen, die schlafende Schweizer PR-Szene aufgemischt wie kein zweiter und ist tief in die schweizerische Gesellschaft und Politik eingedrungen. Das alles soll in sein Buch einfliessen, mit vielen praktischen Beispielen aus den Chefetagen dieses Landes. «Ich sehe mich durchaus als Zeitzeuge.»

Nicht alle hohen Herren erinnern sich gerne daran, dass Stöhlker bereits 1995 in seinem Buch «Bedrohte Schweiz wohin» die grossen Krisen des neuen Jahrtausends und, obwohl immer für die FDP aktiv, den Niedergang des Freisinns vorausgesagt hatte, lange vor dem Swissair- und dem UBS-Debakel. «Ich nenne das alles auch nicht gerne Krisen, sondern lieber und richtiger Beschleunigungen», sinniert er, «denn das Tempo ist es, mit dem hier viele nicht mithalten können. Früher genügte es, in einer Branche unter den Top Ten zu sein, vor zehn Jahren musste man unter den drei Besten sein - und heute zählt nur noch, wer der Allerbeste ist.»

Manch ein Firmenpräsident oder CEO kann oder mag mit so viel Kaltschnäuzigkeit, so viel Härte und Tempo nicht umgehen und sucht sich einen pflegeleichteren Berater. Stöhlker: «Aber so mancher ist dann doch zurückgekommen, als die Situation wirklich brenzlig wurde.» Stöhlker schiesst aus der Hüfte und er schiesst schnell («Bei mir ist immer High Noon»), und er hält nichts von 40 000 Franken teuren Konzepten, die einen Monat nach der Problemstellung vorliegen: «Wenn ich mit einem VR-Präsidenten am Tisch sitze, dann sage ich ihm nach zehn Sekunden, was Sache ist.»

Und was ist heute Sache? «Dass die A-Schweiz die B-Schweiz überholt. Die B-Schweiz, das ist die Schweiz von gestern, die wir kennen und lieben, die Schweiz der Vereine und Gemütlichkeit, und die A-Schweiz ist die erfolgreiche Schweiz des 21. Jahrhunderts, die eine globalisierte Sicht der Dinge entwickelt hat und sich zusammensetzt aus den Vertretern des Finanzplatzes, der grossen Chemie-, Pharma-, Nahrungsmittel-, Industriekonzerne, Anwalts- und Treuhandkanzleien und Holdings ausländischer Konzerne.»

Wer in der B-Welt weiterlebt, wird es schwer haben, wird Stöhlker in seinem neuen Buch prophezeien, «wir sind ja heute schon so weit, dass sich 40 Prozent der Bevölkerung das Leben in diesem wunderbaren Land nicht mehr leisten können und in irgendeiner Form Sozialleistungen beziehen.» Dieser Trend, sagt er, werde sich noch gewaltig verstärken, «die einzige Chance, aus dem Teufelskreis herauszukommen, ist, wenn es der Schweiz gelingt, wie vor 150 Jahren eine Perspektive zu entwickeln, statt sich durch die Einflüsse, die von aussen kommen, innerlich zerreissen zu lassen.»

Die Schweiz von gestern liebt er dabei genauso wie die meisten hier, und deshalb nimmt er nebst internationalen Mandaten immer auch lokale an, die sich einem heilen Stück Schweiz verpflichtet sehen: «Jetzt gerade habe ich mich neu bei Vals engagiert, für die besorgten Bürger, die den Deal mit dem neuen Investor Remo Stoffel gerne rückgängig machen würden.»