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Samstag
30.01.2010

Am Donnerstagabend traf sich die Creme de la Creme der Schweizer Medienszene zum geselligen Beisammensein im Banker-Hot-Spot Hotel Carlton in Zürich. Wenn gegensätzliche Alphatiere wie Roger Schawinski oder Roger Köppel aufeinander treffen, fliegen auch mal die Fetzen. David Torcasso* (26), Journalist bei «20 Minuten», war zum ersten Mal dabei und beschreibt seine Eindrücke. Der österreichische Verleger Johann Oberauer und der deutsche Chefredaktor Markus Wiegand, beide verantwortlich für den «Schweizer Journalist», luden die besten Schreiberlinge des Landes ins Hotel Carlton ein. Nicht etwa zu einem Krisengespräch zur Rettung der Schweizer Medienbranche, sondern zur Verleihung des Preises für den Verleger, den Medienmanager und die Journalisten des Jahres.

Und weil die Medienbranche am liebsten über sich selbst plaudert, waren sie alle gekommen: Die beiden Rogers (Schawinski und Köppel), die mächtigen Herren aus den Chefetagen, etwas gezeichnet von den einbrechenden Anzeigeerlösen, die Edelfedern, der hoffnungsvolle Nachwuchs und eine Handvoll Kommunikationsprofis von Hauptsponsor Swisscom. Swisscom-Chefstratege Daniel Ritz stellte bei seiner Begrüssungsrede die Frage, warum die gebeutelten Medien im Vergleich zur Swisscom im Internet alles gratis anbieten würden. An der Spitze der versammelten Elite der Schweizer Medien schritt dann Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument zum Rednerpult. Bekannt für seine direkte Art schoss er messerscharfe Pfeile Richtung Bakom und Medienminister Moritz Leuenberger und äusserte sich über die «Kartellisierung» der Schweizer Medienlandschaft.

Entspannt zurückgelehnt und dem Redner zuprostend lauschte Roger Schawinski, neben ihm sass nachdenklich Medienurgestein Karl Lüönd. Als äussert gewandt am Mikrofon erwies sich «Schweizer Journalist»-Chefredaktor Markus Wiegend und sorgte mit seiner erfrischenden, freimütigen (deutschen) Art für viele Lacher im Publikum. «Sie brauchen eine eigene Sendung» – dieses Kompliment an die Adresse von Wiegand kam von Talkmaster Markus Gilli persönlich.

Noch vor der Steinpilzsuppe ging es ans Eingemachte, die Preise wurden verliehen: «Für ihren Mut, weiter auf das Medium Zeitung zu setzen», hatte die Jury Tamedia-Verleger Pietro Supino und Tamedia-CEO Martin Kall zum «Verleger und Medienmanager des Jahres» ausgezeichnet – trotz der Freude wurden die beiden Manager aber nicht überschwänglich: Auf die Frage, ob die Tamedia noch den Rest der Deutschschweiz aufkaufen wolle, antwortete Supino mit einem geheimnisvollen Lächeln. «Ich habe gehört, sie verhandeln gerne auf Autobahnraststätten», fragte Moderator Wiegand Tamedia-CEO Kall. «Welche bevorzugen Sie zurzeit, solche auf dem Weg nach Basel oder diese rund um den Zürichsee?» Er konnte Kall aber keine Auskunft über die nächsten Käufe des Tamedia-Konzerns entlocken.

Der CEO erzählte ihm stattdessen vom Treffen mit dem bekannten Philosophen Sloterdijk. Die beiden Herren setzten sich rasch wieder an ihre Tische und genossen die Ehrung ihrer journalistischen Spitzenmannschaft. Die Tamedia als Sieger des Abends räumte mit Constantin Seibt in der Kategorie «Reporter des Jahres» oder mit Markus Gilli als «Lokaljournalist des Jahres» nämlich noch weitere Preise ab. «Ich hoffe, Sie fühlen sich nicht etwas reduziert mit dieser Auszeichnung», entschuldigte sich Moderator Wiegand bei Gilli. TeleZüri habe ja mittlerweile das Schweizer Fernsehen im Raum Zürich um einige Zuschauersekunden überholt. Gilli, der gerne noch einen draufsetzt, meinte nur: «Ich finde das eine grossartige Leistung. Schliesslich bekommen wir keinen Rappen Gebühren.»

Die Jungjournalisten gingen wegen ihrer Bescheidenheit bei der Entgegennahme des Preises leider etwas unter – ausser Tagi-Redaktor Maurice Thiriet, der mit seinem Bericht über das Nacktwandern für lautes Gelächter sorgte. Auch der umstrittenste Chefredaktor der Schweiz, Roger Köppel, wurde geehrt. Und nutze die Gelegenheit auf der Bühne, seinen Kritikern auf betont gelassene Art noch eins auszuwischen. «Die Weltwoche verdient richtig Geld», meinte Köppel selbstbewusst.

Von seiner Art her sehr elegant, fast schon staatsmännisch nahm Edipresse-Redaktionsdirektor Peter Rothenbühler seinen Preis als bester Kolumnist bei der «SonntagsZeitung» entgegen. Etwas fehl am Platz fühlten sich wohl die beiden vom «Schweizer Journalist» ausgezeichneten Sportjournalisten Roger Benoit und Fredy Wettstein. Benoit, seit unglaublichen 41 Jahren im Business, erklärte sich gleich selbst: «Ich hatte jetzt schon elf Chefredaktoren über mir» –sein Kollege Wettstein wäre wohl lieber im Fussballstadion als bei einer solchen Preisverleihung gesessen. Während dem anschliessenden Hauptgang sagte meine Sitznachbar, der deutsche Chefredaktor eines IT-Magazins, zwischen zwei Bissen: «Das ist ja wie Fasching hier.»

In der Tat: Die Rollen im Medienzirkus sind klar verteilt, die Meinungen gemacht, und jeder hat mit seinem eigenen Klischee zu kämpfen oder eben – es auch immer wieder überzeugend zum Besten zu geben. Hier der «Quasi-Monopolist» Tamedia aus dem grossen Zürich, dort die Lokaljournalisten aus Thun und Wallis, allen voran Luzius Theler, der ebenfalls einen Preis erhielt, oder die Gebührenverwerter Schweizer Fernsehen und Schweizer Radio DRS. Die beiden Radiojournalisten Susanne Brunner und Emil Lehmann wurden schliesslich für ihre Verdienste bei der beliebten Sendung «Tagesgespräch» ebenfalls mit dem Journalisten-Preis geehrt.

Nur vom Medienhaus an der Dufourstrasse sass ausser dem ausgezeichneten Blick-Journalisten (Roger Benoit) und SI-Chefredaktor Nik Niethammer niemand an den Tischen. Ringier ist wohl mit der Implementierung des sagenumwobenen Newsroom beschäftigt. Für mich war es ein grossartiger Abend und gute Unterhaltung: Die Grossverlage, die von den intellektuellen Edelfedern mit etwas Spott betrachtet wurden, die alten Hasen der Branche (ein häufiger Satz von Moderator Wiegand: «Auch nicht zum ersten Mal steht hier oben…»), zu denen ich mit Respekt hochblicke, die talentierten Jungen und nicht zuletzt die altbekannten Gesichter, die ihre Rolle perfekt inszenierten. Wäre das WEF in Davos nicht dazwischen gekommen, wären wohl noch einige geachteten Kollegen mehr gekommen. Es war ein Klasse-Abend, der einen interessanten Einblick in die Zusammenhänge und die Verstrickungen der Schweizer Medienbranche gab, aber auch voll von erfrischender Selbstironie, von Wein durchtränkter Gelassenheit und eloquenten Büttenreden war.

* David Torcasso ist 26 Jahre alt, arbeitet als Reporter bei «20 Minuten» und hat seine Diplomarbeit zum Thema «Die Regionalisierungsstrategie des Tages-Anzeigers» geschrieben.