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Montag
10.10.2011

Medien / Publizistik

Einer der umstrittensten Rechtsfälle Deutschlands ist juristisch abgeschlossen: Die Nebenklägerin und die Staatsanwaltschaft Mannheim haben die von ihr eingelegte Revision in der Sache Jörg Kachelmann zurückgenommen. «Die Rücknahme der Revision ist - wie bei Rechtsmittelrücknahmen üblich - ohne Begründung erfolgt», gab das Landgericht Mannheim am Freitag bekannt.

Damit sei das Strafverfahren gegen Jörg Kachelmann rechtskräftig abgeschlossen, so das Gericht. Jörg Kachelmann, der wegen des Vorwurfs der schweren Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung vor Gericht stand, ist am 31. Mai 2011 vom Landgericht Mannheim freigesprochen worden.

Nach Prüfung der schriftlichen Urteilsgründe sehe die Staatsanwaltschaft Mannheim «keine genügenden Erfolgsaussichten» für eine Revision vor dem Bundesgerichtshof, teilte die Anklage mit. Zudem weise die sehr ausführliche Urteilsverkündung keinen Rechtsfehler auf.

Der Vorsitzende des Gerichts sagte Ende Mai in seiner Urteilsbegründung: «Der heutige Freispruch beruht nicht darauf, dass die Kammer von der Unschuld von Herrn Kachelmann und damit im Gegenzug von einer Falschbeschuldigung der Nebenklägerin überzeugt ist. Es bestehen aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Zweifel an der Schuld von Herrn Kachelmann. Er war deshalb nach dem Grundsatz `in dubio pro reo` freizusprechen.»

Der Strafprozess, der von einer regelrechten Hetzkampagne gegen das angebliche Vergewaltigungsopfer begleitet wurde, veranlasste den Richter Ende Mai zu grundsätzlichen Äusserungen zur Presse- und Meinungsfreiheit. Die Gerichte hätten bei ihrer Tätigkeit die Pressefreiheit zu respektieren und den Medien eine angemessene Berichterstattung über das Verfahren zu ermöglichen. «Gerichte müssen und sollen damit leben, dass sie durch die Medien öffentlicher Kontrolle unterliegen», so der Richter. Umgekehrt sei es aber Aufgabe der Presse, «vollständig und sachlich zu berichten, dem Leser damit die Möglichkeit zu geben, sich unvoreingenommen eine Meinung zu bilden und dabei die Würde des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten zu achten».

Statt der gebotenen Zurückhaltung gegenüber einem laufenden Verfahren hätten vorschnelle Prognosen, das einseitige Präsentieren von Fakten und mit dem Anschein von Sachlichkeit verbreitete Wertungen die Berichterstattung geprägt. «Diese mögen zwar als Garant für Schlagzeilen und Verkaufszahlen dienen; der Wahrheitsfindung in der Hauptverhandlung sind sie jedoch in hohem Masse abträglich. Sie erzeugen Stimmungen, wo Sachlichkeit gefragt ist; letztlich vertiefen sie den mit der Durchführung eines Strafverfahrens verbundenen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten und der Nebenklägerin in nicht gerechtfertigter Weise», bilanzierte er damals.

Mit Befremden habe die Kammer die Aufrufe an die Bevölkerung registriert, im Laufe der Abstimmung über Schuld und Unschuld des Angeklagten zu entscheiden. «Damit verkommt das Gerichtsverfahren nicht nur zu einem reinen Event; vielmehr werden Entscheidungen von Gerichten, denen nicht selten eine hochkomplizierte Entscheidungsfindung vorausgeht, in der öffentlichen Wahrnehmung mit dem Merkmal der Beliebigkeit behaftet.» Mit öffentlicher Kontrolle der Gerichte durch die Medien habe diese Form der Medienarbeit nichts zu tun.