«Ist das Kunst oder kann das weg», so lautet eine altbekannte Frage.
Dass nun der deutsche Satiriker Jan Böhmermann sogar strafrechtlich verfolgt wird, wirft diese Frage erneut auf, nur mit anderen Variablen. An die Stelle der Kunst tritt nun die Satire: «Was darf Satire, was darf sie nicht?», fragte deshalb der Klein Report bei Patrick Frey nach.
Der Schweizer Autor, Verleger, Kabarettist und Schauspieler war am Montag in der Sendung «Schawinski» Gesprächsgast und diskutierte mit dem emeritierten Medienprofessor Roger Blum sowie Moderator Roger Schawinski über die Grenzen der Satire.
Im Interview mit dem Klein Report bezieht Patrick Frey Stellung zum «Fall Böhmermann» und berichtet zudem von seinen eigenen Erfahrungen, die er als Kabarettist und Satiriker im Laufe der Jahre gemacht hat.
Was ist Ihre Meinung zum «Schmähgedicht» von Jan Böhmermann? Finden Sie, dass das Gedicht gelungen ist?
Patrick Frey: «Das Gedicht Böhmermanns ist aus zwei Gründen ein hervorragendes Beispiel satirischer Kunst. Erstens im Kontext der sozialen und politischen Hebelwirkung, also in seiner ungeheuren Resonanz. Und zweitens auch als satirisches Gedicht in sich selbst, indem es eben auf effiziente Weise obszöne und ordinäre Beschimpfungen mit politischen Behauptungen vermischt, die mehr oder weniger den Tatsachen entsprechen. Etwa, wenn sich `Ziegenficken` auf `Minderheiten unterdrücken` reimt oder wenn es heisst `Kurden treten, Christen haun / und dazu Kinderporno schaun`. Damit wird ebenso aggressiv wie kunstvoll darauf hingewiesen, dass das Demokratieverständnis von Erdogan einen geradezu obszönen Beigeschmack hat.»
Was darf Satire Ihrer Meinung nach alles, was darf sie nicht? Wo sehen Sie Grenzen, welche auch Satire nicht überschreiten darf?
Frey: «Wenn Satire kynischen Charakter hat, wenn der Satiriker also wie der Hund von unten nach oben bellt, und nicht zynisch aus der Herrschaftsperspektive von oben herab sich lustig macht, dann darf sie eigentlich alles. Nur dumm und unlustig darf sie nicht sein, aber das ist ja nicht justiziabel. Grenzen sind immer gut, richtig gute Satire wird von bestehenden Grenzen jeder Art wie magisch angezogen.»
Sie als Satiriker: Wie nehmen Sie den momentanen Diskurs um die Person Jan Böhmermann wahr? Macht Ihnen das Angst? Hat Böhmermann damit einen neuen Meilenstein in der Satire gesetzt?
Frey: «Also lustig ist das auf gar keinen Fall, was Jan Böhmermann gerade durchmacht. Aber vorauseilende Angst ist ganz bestimmt die falsche Reaktion auf diese Vorgänge, weil sie nämlich direkt zum vorauseilenden Gehorsam führt, eine weitverbreitete Haltung hierzulande. Und ja, ich denke sehr wohl, dass Böhmermann mit diesem Gedicht Geschichte geschrieben hat.»
Wie viele Gedanken verschwenden Sie an allfällige Strafverfolgungen oder Rügen, wenn Sie selber Satire machen?
Patrick Frey: «Keine, nie.»
Was war das Grenzwertigste, was Sie selbst im Rahmen der Satire je gemacht haben?
Frey: «2005 habe ich im `SRF1` für die Sendung `Roter Teppich für...` die von mir auf Altbundesrat Adolf Ogi umgeschriebene Landeshymne gesungen, mit den zentralen Versen `Wenn dein Berner Grind sich rötet / betet, weiche Eier, betet`. Der wirkliche satirische Moment kam aber erst dann, als Ogi sich reflexartig erhob und dann der ganze Saal, inklusive Armeechef Keckeis, der feierlich strammstand, die Hand an der Mütze, weil er die Verarschung zu spät gemerkt hatte.»
Haben Ihnen Ihre satirischen Beiträge auch schon Ärger eingebracht?
Frey: «Ich wurde schon mehrfach zensiert, einmal auch im `Tages-Anzeiger`, wo ich eine meiner satirischen Kolumnen über Blocher schrieb, der damals gerade Kreide gefressen hatte, weil er Bundesrat werden wollte. Diese Kolumne, die auf einem uralten japanischen Märchen basierte, benutzte ebenfalls drastische und ordinäre Motive, um zum Ausdruck zu bringen, dass die gemässigte Haltung Blochers nur ein dünner Schafspelz sei.
Meine Weihnachtsgeschichte `Wiwinanagschigschi` brachte mir eine (abgewiesene) Beschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) und eine Menge Leserbriefe ein, in denen stand, dass, wenn ich dasselbe über Mohammed gemacht hätte, jetzt ein Messer in meinem Rücken stecken würde.
Die erwähnte Ogi-Laudatio samt Hymne wurde noch am Abend selbst aus der Sendung geschnitten (offizielles Argument: `nicht lustig`) und im Giftschrank weggeschlossen. Am Apéro nach der Sendung kam ich mir ein wenig vor wie ein Aussätziger. Der einzige, der sich sehr liebenswürdig von mir verabschiedete, war Adolf Ogi. Die Chefin, Ingrid Deltenre, gab mir nicht einmal mehr die Hand. Acht Tage lang war die Story auf dem Cover des `Blick` und in allen lokalen TV-Stationen. Den Job als - satirischer! - Laudator für sieben Sendungen war ich per sofort los. Zwei Jahre lang war ich am SRF Persona non grata. Auch hier lag die wesentliche satirische Wirkung in der Resonanz. Das Format `Roter Teppich für...` war allerdings eine Totgeburt und kam aus diversen Gründen nicht über drei oder vier Sendungen hinaus.»