Eigentlich ist mehr Meinungsfreiheit und mehr Meinungsvielfalt angesagt: Im Abstimmungskampf für das Medienförderungsgesetz passiert aber im grossen Stil auf allen Kanälen genau das Gegenteil.
Die Grossverleger und der Verlegerverband lassen für ein Ja weibeln, wobei sie auch ein politisch links dominiertes Kommitee finanzieren und für sich reden lassen, wie der Klein Report bereits ausführlich berichtet hat.
Auch ein Recherche-Team um Marc Meschenmoser und Jimmy Sauter von «K-Tipp»/«saldo»/«K-Geld» zeigt auf, wie Tamedia, CH Media und Ringier, die 80 Prozent des Pressemarktes abdecken, überproportional von weiteren Steuer-Millionen für die Post-Zustellung profitieren würden. Obwohl allein die TX Group (Tamedia) ihren Aktionären für 2021, 2022 und 2023 eine normale Dividende sowie eine Sonderdividende von je 44,5 Millionen ankündigt, wie die Journalisten schreiben.
Der Klein Report hat beim Redaktionsleiter des «K-Tipp» und Recherche-Chef Marc Meschenmoser nachgefragt, was hier schiefläuft, wie viel Subventionsgelder beispielsweise allein auf CH Media (NZZ-Regionalmedien und AZ Medien) fallen und wie der Verlegerverband über ein Strategiepapier der Agentur Farner/Rod eine detaillierte Zeitschiene mit Einbezug der Medienministerin Simonetta Sommaruga fährt und damit wenig Platz für Meinungsfreiheit lässt.
Wie viel Geld würde gemäss den Recherchen von «K-Tipp»/«saldo»/«K-Geld» auf die Grossverlage fallen?
Marc Meschenmoser: «Unser Rechercheur Jimmy Sauter arbeitete mehrere Wochen daran und hat alle Zahlen des Bundesamts für Kommunikation (Bakom) zu Auflagen – auch jenen der regionalen Zeitungen – mit aktuellen Subventionen und künftigen Subventionen verglichen und dem Bakom vorgelegt. Unsere Recherchen zeigen: Von den im Medienpaket vorgesehenen 120 Millionen Franken für die verbilligte Zustellung von Zeitungen würden 17,3 Millionen an Tamedia fliessen, 11,8 Millionen an CH Media und 3,4 Millionen an Ringier. Wir stützen uns bei den Berechnungen auf Angaben des Bundesamts für Kommunikation und des Werbemedienforschungsunternehmens Wemf. Beispielsweise würde der ‚Blick‘ 3 Millionen Franken erhalten, der ‚Tages-Anzeiger‘ 2,7 Millionen. Heute bekommen sie nichts. CH Media bekäme zusätzlich 18,8 Millionen Franken Serafe-Gelder für seine Radiosender. Das macht für die drei Grossverlage mindestens 50 Millionen Franken – die grossen Verlage profitieren also von einem Grossteil der Subventionen.»
Bereits in der «K-Tipp»-Ausgabe 13 von 2021 hat Ihr Team vorgerechnet, dass die grossen vier Verlagshäuser von 2011 bis 2020 Betriebsgewinne von 3,8 Milliarden Franken (vor Abschreibung und Steuern) erzielt haben. Diese haben Zeitungen aufgekauft, Redaktionen zusammengelegt und Stellen zusammengestrichen. In wie vielen Zeitungen erscheinen heute die gleichen Artikel?
Meschenmoser: «Heute besitzt Tamedia 15 Tageszeitungen, CH Media 21. Laut dem ‚Jahrbuch Qualität der Medien‘ der Uni Zürich erscheint mittlerweile jeder vierte Artikel in mehr als einer Zeitung. Beispiele dafür sehen Leserinnen und Leser, wenn sie auf den Online-Portalen surfen oder in den gedruckten Zeitungen blättern und immer mehr einheitliche Artikel statt Medienvielfalt sehen. Beispielsweise erschien am 22. November in zehn Tamedia-Zeitungen ein identisches Interview mit Lukas Engelberger, Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz, zum Thema Corona. Ein weiteres Beispiel: am 2. Oktober führten Journalisten von CH Media ein Interview mit Pietro Supino. Darin hat der TX-Group-Verwaltungsratspräsident für das Medienpaket geworben. Dieses Interview erschien in 19 Zeitungen. Mit anderen Worten: verschiedene Zeitungsnamen – gleicher Inhalt. Dies ist nicht das, was ich unter Medienvielfalt verstehe.»
Das Strategiepapier des Verlegerverbandes setzt statt auf Fakten auf Emotionen. Ein journalistische No-Go. Was haben Ihre Recherchen dazu ergeben, und wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Marc Meschenmoser: «Wenn man sich in den Redaktionen der grossen Verlage umhört, ist es ja nicht so, dass die Journalisten einhellig für das Mediengesetz wären – im Gegensatz zu den entsprechenden Verlagen. Die nächsten Wochen werden letztlich zeigen, wie unabhängig die Redaktionen im Abstimmungskampf berichten können. Das Strategiepapier des Verbandes Schweizer Medien hält jedenfalls klar fest: Man möchte mit selbst finanzierten und in Auftrag gegebenen Umfragen die öffentliche Meinung beeinflussen und aufzeigen, dass die Unterstützung für das Referendum kleiner wird. Es ist schon erstaunlich, wenn im Strategiepapier des Verbandes Schweizer Medien Sätze zu lesen sind wie: ‚In politischen Debatten sind nicht Fakten, sondern der emotionale Deutungsrahmen entscheidend.‘ Dies widerspricht doch einem zentralen Qualitätsverständnis der Medien: Fakten statt Emotionalisierung.»
Die ganze «K-Tipp»-Recherche.