Schwere Vorwürfe gegen Jürg Jegge: Sein ehemaliger Schüler Markus Zangger hat zusammen mit dem Journalisten Hugo Stamm ein Buch geschrieben, in dem sie dem bekannten Schulkritiker und Pädagogen sexuellen Missbrauch vorwerfen.
«Ich bin während Jahren von meinem Lehrer massiv sexuell und psychisch missbraucht worden», sagte Zangger am Dienstag an der Präsentation des Buchs «Jürg Jegges dunkle Seite - Die Übergriffe des Musterpädagogen» im Volkshaus in Zürich.
1970 kam er als Sonderschüler mit einer «leichten Geistesschwäche» in die Obhut Jegges. Als neuartige therapeutische Massnahmen verkleidet, «über die man noch nicht reden darf», sei es zu körperlichem Missbrauch gekommen. Jegge habe ihm zum Beispiel zwischen die Beine gegriffen oder ihn aufgefordert, zusammen zu onanieren.
Erst, als Zangger 27 Jahre alt war, konnte er sich aus Jegges direktem Zugriff entreissen. Die innerliche Abhängigkeit aber «blieb noch viel länger bestehen», wie im Vorwort des Buches steht.
Die Veröffentlichung dieser Geschichte sei «von nationaler Bedeutung», meinte Gabriella Baumann von Arx, Verlegerin des Wörterseh Verlags, die das Buch verlegt hat. Dies soll anderen Opfern eine Stimme geben und ihnen Mut machen, sich in ihrem Leiden zu zeigen.
Stamm, der als Autor und Journalist unter anderem über Sekten schreibt, bezeichnete das Buch in einem Video der SDA als die «Lebensgeschichte des Opfers». Man habe Jegge im Buch nicht selber zu Wort kommen lassen, um Zangger nicht im Nachhinein erneut zum Opfer zu machen, indem man dem Täter von damals die Gelegenheit gibt, die Übergriffe als «Therapiemassnahmen» zu rechtfertigen.
Als Beweis stützen sich die Co-Autoren vor allem auf einen Brief aus der Feder Jegges, aus dem der sexuelle Missbrauch deutlich hervorgehe. Der Brief ist im Buch abgedruckt. Jegge spricht darin von einer «Befreiung des Körpers und seiner Sexualität» und fragt den Adressaten suggestiv: «Hast Du, habt Ihr den Eindruck, dass das Dir, dass das Euch geschadet hat?» Vier Schulkollegen hätten gegenüber Zangger bestätigt, dass sie Opfer ähnlicher Übergriffe geworden seien.
Als sie mit dem Buch begonnen hatten, sei die psychische Verfassung Zanggers «dramatisch» gewesen, erinnerte sich Stamm an der Buchpräsentation. Das Schreiben habe dem 59-Jährigen geholfen, sich von einer jahrzehntealten Last zu befreien. Dadurch hätte er «Wege zurück in die Realität» gefunden.
Jegges Bestseller «Dummheit ist lernbar», 1976 erstmals erschienen, wurde über 200 000 Mal verkauft. Bis heute gilt er als einer der meistzitierten Kritiker des Schweizer Schulsystems. Jegge hat bis am Dienstagnachmittag noch nicht zu den Vorwürfen Stellung bezogen.