Wie können Medien den Anteil von Frauen in der eigenen Berichterstattung erhöhen? Diese Frage stand am Donnerstagnachmittag an einem Podium des JournalismusTag.19 im Zentrum.
Diskussionsleiterin Nicole Döbeli («Landbote») hat Patrizia Laeri (SRF-Wirtschaftsjournalistin), Katia Murmann (blick.ch-Chefredaktorin) und Maurice Thiriet (Watson-Chefredaktor) nach Strategien, Herausforderungen und der Bedeutung von weiblicher Repräsentation in den Medien gefragt.
«Frauen kommen in den Beiträgen vom Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) zu wenig zu Wort»: Das habe eine kürzlich erhobene Datenanalyse von SRF gezeigt, sagte Laeri zu Beginn in ihrem Input-Vortrag. Bei einzelnen Sendungen betrug der Männeranteil zum Teil über 90 Prozent.
SRF will nun Gegensteuer geben und nimmt sich die BBC zum Vorbild. Mit dem «50:50 Project» konnte der britische Rundfunk die Repräsentation von Frauen in der Berichterstattung stark erhöhen. «Innerhalb eines Jahres stieg die Ausgewogenheit von 27 auf 74 Prozent», so Laeri. Damit war die Debatte lanciert.
«Auch der 'Blick' verändert sich. Anfangs war es eine von Männern dominierte Zeitung, nun haben wir immer mehr Frauen in der Redaktion», sagte Murmann und ging noch einen Schritt weiter: Für kommende Woche kündigte sie den Start der Initiative «Equal Voice» bei Ringier an. Ziel sei, den Frauenanteil in der Berichterstattung zu erhöhen.
«Mit 'Equal Voice' wollen wir unseren Redaktionen nicht eine Fifty-Fifty-Quote vorschreiben», so Murmann. Aber es brauche mehr Frauenstimmen in den Berichten und es müssten mehr Expertinnen zu Wort kommen. Im Januar sollen laut Murmann erste Massnahmen vorliegen, die aufzeigen, wie das funktionieren könnte.
Thiriet schlägt andere Töne an: «Bei Watson sind die härtesten Journalistinnen der Schweiz angestellt.» Sie schrieben automatisch mehr über Frauen. Als Beispiel nannte er Simone Meier, die fast ausschliesslich über Frauen berichte.
Projekte wie «50:50» und «Equal Voice» seien laut Maurice Thiriet «nur Kosmetik». Jede traditionelle Medienorganisation habe gewisse Strukturen, die männlich dominiert seien. Man müsse bei den Menschen anfangen und die Struktur müsse daraus entstehen.
«Wenn man gar nicht anfängt, über Frauen zu schreiben, wird sich auch niemand dafür interessieren», hielt Murmann dagegen. «Frauen lesen am ehesten Geschichten über Frauen.»
Auch Laeri konterte und fügte an, dass neue Expertinnen auch neue Themen anstossen würden: «In der Entwicklungsökonomik hat es viele Forscherinnen, die Interessantes zu sagen haben. Bisher wurden solche Wirtschaftbereiche in der Berichterstattung allerdings vernachlässigt.»
Doch für Maurice Thiriet ist klar, dass einige Bereiche einfach männlich dominiert bleiben. Zum Beispiel würde eine ausgebaute Sport-Berichterstattung «keine Frau interessieren».
«Es kann nicht sein, dass Männer die Schlagzeilen dominieren», erwiderte Murmann. Sie gab aber zu, dass es beim Sport und bei wirtschaftlichen Themen schwierig sei, eine ausgewogene Berichterstattung zu gewährleisten.
Es könne allerdings helfen, auch an gewissen journalistischen Konzepten zu rütteln, erklärte Laeri: «Es müssen nicht immer die Chefs der Unternehmen sein, die etwas über ihr Geschäft sagen. Es kann auch mal eine Marketingchefin sein.»
Zum Schluss gab Laeri den anwesenden Frauen im Publikum einen Tipp: «Journalistinnen sollen den Mut haben, die Geschichten so zu erzählen, wie sie sie persönlich bewegen.»