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Dienstag
27.10.2020

Medien / Publizistik

 Der St. Galler Infektiologe Petro Vernazza im «10vor10»: «Es rächt sich der Abbau des Wissenschaftsjournalismus», heisst es im neuen «Jahrbuch Qualität der Medien».

Der St. Galler Infektiologe Petro Vernazza im «10vor10»: «Es rächt sich der Abbau des Wissenschaftsjournalismus», heisst es im neuen «Jahrbuch Qualität der Medien».

Über 80 Prozent der Medienberichte zu Corona stützten sich auf Experten. Die Abhängigkeit von den Fachleuten sei zu gross und die Eigenrecherche der Journalisten zu dürftig, bemängelt das neue «Jahrbuch Qualität der Medien».

Vieles hätten die Medien in der Corona-Pandemie gut gemacht, schreiben die Autoren vom Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Uni Zürich, die am Montag die neue «Jahrbuch»-Ausgabe vorgestellt haben. 

So sei zum Beispiel die Berichterstattung «selbst in Boulevard- und Pendlermedien» meistens sachlich gewesen und eine Panikmache ausgeblieben.

Oder auch der Vorwurf, die Journalisten seien den Behörden gegenüber zu unkritisch gewesen, wie in manchem Facebook-Post gegen die «Massenmedien» gewettert wurde, habe sich bei genauerem Hinsehen nicht nachweisen lassen – allerdings mit Ausnahme der Phase unmittelbar vor dem Lockdown, wie der Klein Report bereits berichtete.

Kritik übt das «Jahrbuch» aber an der journalistischen Einordnung. «Die Medien beschränkten sich überwiegend auf die Kommentierung der Ereignislage. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Ursachen und Folgen der Krise sowie den Massnahmen basierend auf gründlicher Eigenrecherche blieb ein Randphänomen.» 

In über 80 Prozent der untersuchten Berichte wurde laut dem «Jahrbuch» auf eine Expertin oder einen Experten Bezug genommen. Die Autoren sprechen sogar von einer «grossen Abhängigkeit» von den Experten, als hingen die Journalisten am Tropf.

Für das «Jahrbuch» ist es erwiesen, «dass der Informationsjournalismus viel an Kraft verloren hat, Ereignisse mit den bestehenden Ressourcen eigenständig einzuordnen. Es rächt sich der Abbau des Wissenschaftsjournalismus, der sogar während der Corona-Krise in einzelnen Redaktionen fortgesetzt wurde.»

Weiter sei die Auswahl der Experten zu einseitig gewesen. Die meisten stammten aus dem medizinischen Feld der Virologie, der Epidemiologie oder der Immunologie. 

Expertinnen und Experten zum Beispiel aus den Wirtschafts-, Rechts- oder Sozialwissenschaften, seien kaum zu Wort gekommen. «Das ist bemerkenswert, zeitigt die Corona-Krise doch nicht erst seit dem Lockdown gesellschaftliche Konsequenzen weit über medizinische Aspekte hinaus.»