Content:

Dienstag
26.09.2017

Medien / Publizistik

«Kern der Privatsphäre»

«Kern der Privatsphäre»

Das Boulevardblatt hat einmal mehr eine unrühmliche Rolle gespielt: Nach der Zuger Landammannfeier hat der «Blick» im Dezember 2014 nach einem angeblichen sexuellen Intermezzo die Beteiligten Markus Hürlimann und Jolanda Spiess-Hegglin als erstes Medium mit vollem Namen genannt.

Hürlimann war damals Zuger SVP-Präsdient, Spiess-Hegglin Kantonsrätin der Grünen.

Nach dem Presserat geht der Fall nun ans Kantons­gericht Zug, wie Journalist Pascal Hollenstein in den NZZ-Regionalmedien am Montag schreibt. Rena Zulauf, Anwältin von Spiess-Hegglin, habe Anfang September eine Klage wegen Persönlichkeitsverletzung eingereicht.

Am 20. Dezember 2014 ist es zu sexuellen Kontakten zwischen zwei Kantonspolitikern gekommen, schrieben die Medien damals. Es seien K.o.-Tropfen im Spiel gewesen, die Justiz ermittelte im Nachgang.
 
Bereits der Presserat hielt 2016 in diesem hetzerisch aufgedrehten medialen Fall fest: «Wenn ein Mann oder eine Frau mit einem Problem im Intimbereich ins Spital geht, muss er oder sie davon ausgehen können, dass keine Informationen darüber an die Öffentlichkeit gelangen.» Dafür trügen die Medien die Verantwortung, fasst Pascal Hollenstein in seinem Artikel die Geschehnisse zusammen.
 
Gemäss Presserat bestand auch kein öffentliches Interesse an den Namen. Mit der identifizierenden Berichterstattung habe der «Blick» den «innersten Kern der Privatsphäre» von Spiess-Hegglin verletzt. Die Politikerin sei auch vor der Publikation des Artikels nicht vom «Blick» angefragt worden, heisst es im Artikel weiter.
 
Anwältin Zulauf erklärte gegenüber den NZZ-Regionalmedien, es handle sich beim Vorgehen des Boulevardblattes um eine schwere Persönlichkeitsverletzung. Spiess-Hegglin habe sich zum Zeitpunkt der Publikation in einem schutzbedürftigen Zustand befunden und hätte Zeit zur Verarbeitung gebraucht.
 
Der Journalist hat den Ringier-Anwalt Matthias Schwaibold um eine Stellungnahme gebeten. Vergeblich.
 
Der Fall könnte sich zu einem weiteren Borer-Waterloo für den angeschlagenen Ringier-Konzern ausweiten. An der Zürcher Dufourstrasse weiss offensichtlich niemand, wann die Reissleine zu ziehen ist.