Das Schweizer Recherchenetzwerk investigativ.ch wächst stetig und arbeitet aktuell sogar an der Vergabe eines Stipendiums, wie am Mittwoch beim Jahrestreffen des Journalistenvereins in Zürich durchsickerte.
In der Rothaus-Bar neben der Zürcher Langstrasse trafen sich am Mittwochabend Journalistinnen und Journalisten aus Print, Radio und Fernsehen. Beim Jahrestreffen von investigativ.ch sah man neben Peter Studer und Julian Schmidli beispielsweise auch Fiona Endres oder Victor Parma. Dass sich im gleichen Gebäude, wo die Jahresversammlung stattfand, auch die Räumlichkeiten der «Republik»-Redaktion befinden, war Zufall.
Das Recherchenetzwerk, das sich für einen faktenbasierten, fairen und unabhängigen Journalismus engagiert, konnte in den letzten Jahren immer mehr Mitglieder dazugewinnen. Zurzeit zählt der Rechercheclub 274 Aktivmitglieder und 71 Studierende von der Journalistenschule MAZ und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW.
«Bei uns treffen sich Gleichgesinnte, die sich gegenseitig mit Recherche-Know-how unterstützen», erklärte Stefanie Hablützel, Co-Präsidentin von investigativ.ch, gegenüber dem Klein Report. Beim Rechercheclub würden sich alte Hasen und auch Anfänger treffen. «Die Motivationen, um bei uns mitzumachen, sind ganz unterschiedlich», so die Bündner Radiojournalistin. «Es spielt keine Rolle, ob man jung oder alt ist, frei oder festangestellt arbeitet.» Die einzige Bedingung, um im Verein Mitglied zu sein, sei die in den Statuten verlangte «Haupttätigkeit im Journalismus».
Für einen Jahresbeitrag von 60 Franken werden die Journalistinnen und Journalisten zu Workshops eingeladen und erhalten Recherche- und zum Teil auch juristische Unterstützung. Investigativ.ch lobbyiert aber auch für bessere Recherchebedingungen. So wurde am Mittwochabend bereits zum fünften Mal der «Goldene Bremsklotz» verliehen. «Der Schmähpreis zeigt, wo Recherchierenden aktiv Steine in den Weg gelegt werden», so Co-Präsidentin Hablützel.
Investigativ.ch wurde laut Jahresbericht von der Vogt-Stiftung angefragt, ob das Recherchenetzwerk bei der Vergabe eines Recherchestipendiums mitarbeiten würde. Man sei am Anfang der Gespräche, sagte Stefanie Hablützel gegenüber dem Klein Report. Die Idee sei es, Stipendien für Regionaljournalistinnen und -journalisten anzubieten, verbunden mit einem Coaching. Mehr könne man aber noch nicht verraten.
Sven Altermatt, der für die «Aargauer Zeitung» und die «Schweiz am Wochenende» schreibt, ist seit drei Jahren bei investigativ.ch mit dabei und wurde gestern als Vorstandsmitglied gewählt. «In meinen Augen kommt die klassische Recherche in der Schweiz oft zu kurz», so Altermatt. Der Rechercheclub habe ihm aber schon viel Inspiration und Austausch mit anderen Journis gebracht. «Ich bin dank investigativ.ch beispielsweise auch schon auf tolle Geschichten aus anderen Kantonen gekommen, die ich dann wunderbar für meine Region adaptieren konnte.» Neu im Investigativ-Vorstand ist auch Fiona Endres von der SRF-«Rundschau».
Am Mittwochabend fand nach der GV in der Rothaus-Bar auch ein sogenannter Hands-on-Workshop mit Henk van Ess statt. Der Holländer ist quasi Haustrainer beim Schweizer Fernsehen und schult SRF-Journalistinnen und Journalisten immer wieder, wie sie schneller und einfacher recherchieren können. «Ich finde Stories im Netz», sagt van Ess. «Was für einen Titel ich auf meine Visitenkarte schreiben soll, weiss ich aber bis heute nicht.» Den Mitgliedern von investigativ.ch gab Henk van Ess am Mittwochabend aber einige praktische Tipps, wie sie beispielsweise via Google ganz flott Privatadressen und Handynummern von CEOs und Diktatoren finden können.
Der Nerd - wie er sich selber ab und zu bezeichnet - rät Rechercheuren, ihr Fingerspitzengefühl zu verlieren. «Wenn du im Netz auf der Suche nach etwas bist, empfehle ich dir, deine Intelligenz abzustellen und dir eine ganz andere Denkmethode anzueignen», so der Big-Data-Schnüffler zum Klein Report. Um einen Scoop zu landen, müsse man algorithmisch denken. Zudem sei es von Vorteil, sich Fachsprachen anzueignen: «Du musst wissen, wie deine Protagonisten sprechen», so ein weiteres Erfolgsrezept von Henk van Ess.