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Freitag
18.07.2014

Medien / Publizistik

Die Karte entlarvt FCZ-Fans im Bernischen

Die Karte entlarvt FCZ-Fans im Bernischen

Die interaktive Fussballfan-Karte auf dem «Datenblog» des «Tages-Anzeigers» wirft Wellen. Fussballfans meldeten sich deswegen beim Klein Report mit Bedenken über den Schutz ihrer Daten.

Der Berner Fussballfan Matthias Engel ist in der Fussballszene ein «bekannter Hund». Seit Jahren ist er in der Fanszene aktiv, im Februar hat sich der FDP-Jungpolitiker gegen die Verschärfung des Hooligan-Konkordats engagiert und dem Lokalsender TeleBärn während des Abstimmungskampfs mit vollem Namen ein mehrminütiges Interview gegeben.

Dementsprechend hatte Engel auch keine Bedenken, als er am Mittwochmorgen am Frühstückstisch im «Tages-Anzeiger» eine Schweizer Karte sah, die unter anderem genau aufschlüsselt, in welcher Berner Gemeinde die Anhängerschaft welches Berner Fussballklubs in der Überzahl ist.

Eine böse Überraschung erlebte er aber, als er an seinem Arbeitsplatz erschien, an dem sein Chef mit Arbeitskollegen eine auf tagesanzeiger.ch veröffentlichte interaktive Karte diskutierten. «Selbstverständlich überprüfte jeder, wie viele Fans meines Klubs es in meiner Wohngemeinde gibt. Diese Zahl an sich war wenig aufschlussreich, da sie auch mehrere Saisonkarten eines KMU beinhaltete, das sich als Sponsor für den Verein engagiert», so Engel gegenüber dem Klein Report.

«Ich schluckte aber leer, als ich sah, dass auch eine einzelne FCZ-Saisonkarte aufgelistet war.» Es handelte sich um die seiner Frau, die sich nicht aktiv in der Fanszene engagiert und sich aus Respekt vor regelmässigen Zwischenfällen an Fussballspielen für ein 1000 Franken teures Haupttribünen-Abo entschieden hat.

«Ich verstehe nicht, dass man einen weiblichen Fan, der Schlägereien nach Spielen ausweichen will, so ins Zentrum des Interessens rückt. Ich kann mir nicht erklären, warum der `Tages-Anzeiger` im Kanton Bern nicht pro Gemeinde die Kartenmengen der einheimischen Vereine angegeben hat und die weiteren verkauften Karten als `Weitere Vereine: x Karten` vermerkt hat», ärgert sich der Ehemann.

Damit nicht genug: Jeder Internetnutzer kann auf der Karte die Funktion «Wählen Sie einen Verein aus» wählen und so schauen, in welchen Gemeinden einer Region überhaupt Anhänger eines bestimmten Vereins wohnhaft sind. «Für frustrierte Drittpersonen, die nach einer Niederlage ihres Vereins gegnerische Fans ins Visier nehmen wollen, ist es so eine Leichtigkeit, nach dem Spiel in der S-Bahn das Smartphone zu zücken und mit einem Klick herauszufinden, an welchem Bahnhof der gegnerische Fan im Abteil gegenüber aussteigen wird», so Engel. Im Fall seiner Ehefrau ist das Rätsel besonders schnell gelöst: Sie ist der einzige FCZ-Fan in einem Radius von 20 Kilometern.

Dieses Beispiel ist alles andere als theoretisch. 2011 haben rund 30 «Fans» der Young Boys Bern nach einem Spiel gegen den FC Thun eine S-Bahn mit Thuner Fans in Ostermundigen angegriffen. Die Bilanz: Mehrere verletzte Zugpassagiere, 15 eingeschlagene Scheiben und mehrere Zehntausend Franken Schaden am S-Bahn-Zug. 2012 griffen erneut vermummte Fussballfans eine S-Bahn an, erneut gab es mehrere Verletzte.

Zudem sind Auseinandersetzungen an Bahnhöfen der Region an der Tagesordnung, die Berner Kantonspolizei hat bereits mehrfach wegen solchen Zwischenfällen Rayonverbote ausgesprochen, wodurch sich die an der Schlägerei beteiligten Personen künftig an Spieltagen nicht mehr an den entsprechenden Bahnhöfen aufhalten dürfen.

«Ich habe mich im Februar gegen die Verschärfung des Hooligan-Konkordats engagiert, weil ich es als übertrieben erachtete. Als Fingerzeig an uns Fans war die Abstimmung aber wichtig: 8 von 10 Berner Stimmbürger haben Angst vor Fussballgewalt. Umso weniger Verständnis habe ich dafür, dass nun der `Tages-Anzeiger` eine solche Karte publiziert hat», so Engel.

Der Fussballfan und seine Frau wurden auf das Kleingedruckte des «Tages-Anzeigers» aufmerksam: «Bei Fragen oder Bedenken zur Sicherheit von Einzelpersonen schreiben Sie an datenblog@tamedia.ch». Der entsprechende Löschantrag wurde eingereicht, worauf sich 24 Stunden später «Tages-Anzeiger»-Redaktor Julian Schmidli beim Ehepaar meldete. Er lehnte den Antrag ab, da damit ein unnötiger Präzedenzfall geschaffen würde. Es sei ein öffentliches Interesse vorhanden, dass die «anonymen Daten» weiterhin aufgeschaltet blieben.

«Schmidli riet meiner Frau, sich auf Reisen zu Spielen einfach so zu verhalten, dass ihre Fanzugehörigkeit nicht erkennbar sei», ärgert sich Engel. Gefreut hat das Ehepaar dagegen, dass sich der FCZ-Medienverantwortliche Patrick Lienhart bei ihnen telefonisch gemeldet hat und die Sicht des Vereins schilderte, der im Vorfeld abgeklärt habe, ob mit Herausgabe der Daten wirklich nicht gegen das Datenschutzgesetz verstossen wird.