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Donnerstag
21.10.2021

Medien / Publizistik

Vor einer Mauer in einem Proberaum steht ein Tisch, an dem sechs Schauspielerinnen und Schauspieler des Burgtheaters mit verteilten Rollen das dokumentarische Stück «Causa Kurz: Die Chatprotokolle» lesen…       (Screenshot Burgtheater)

Vor einer Mauer in einem Proberaum steht ein Tisch, an dem sechs Schauspielerinnen und Schauspieler des Burgtheaters mit verteilten Rollen das dokumentarische Stück «Causa Kurz: Die Chatprotokolle» lesen… (Screenshot Burgtheater)

Wie wird aus Schmiergeld Literatur? Eine solche Frage kann wohl am besten in der schon immer etwas schwärzeren Kulturszene von Österreich beantwortet werden. Aktuell ist es der «Inseratensumpf», der die Satire in Wien zur Hochblüte treibt.

Alt-Kanzler Sebastian Kurz und seine Gesellen haben die Medien von Wolfgang Fellner mit Inseraten aus der Regierungskasse versorgt, damit die Publikationen «Österreich/OE24» wohlwollend über die Wahlchancen des damaligen Kanzlerkandidaten berichten.

Was unter den Beteiligten zu und her geschrieben wurde, ist von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in einer 104-seitigen Anklageschrift zusammengestellt worden. Darin finden sich auch Chatprotokolle, die einem Wiener Satiriker durchaus einen «Salzburger Stier» einbringen könnten.

Das Burgtheater und die angesehene Zeitung «Der Standard» haben jedenfalls das Potenzial erkannt. Gemeinsam haben sie die Chatprotokolle als «Causa Kurz» auf die Bühne gebracht.

Dabei wurden die SMS-Protokolle im Rahmen der Aktion «Szene und Kontext» gelesen, wie wenn sie aus der Feder eines Johann Nestroy oder einer Elfride Jelinek stammen könnten. Gelesen haben seitens des Burgtheaters die Ensemblemitglieder Regina Fritsch, Daniel Jesch, Christoph Luser, Dörte Lyssewski, Robert Reinagl und Nils Strunk. Sie schlüpften in die Rollen von Sebastian Kurz, dem Drahtzieher Thomas Schmid und anderen.

Die Idee war vom «Standard» an die Burg herangetragen worden. Fabian Schmid, ein Redaktor beim «Standard», hat aus den Chatprotokollen das Libretto verfasst. Burgtheaterdirektor Martin Kusej zeichnete gemeinsam mit den beteiligten Ensemblemitgliedern für die künstlerische Umsetzung der Lesung verantwortlich.

Natürlich wurde der Streich auf Video aufgenommen und erfreut sich auf den jeweiligen Webseiten der Urheber einer sehr regen Nachfrage, mit bereits über 140'000 Aufrufen über Youtube unter dem Begriff «Causa Kurz». Rechtliche Probleme sehen die Spötter nicht, das Projekt sei durch die Kunstfreiheit gedeckt.

In Wien haben derartige Lesungen Tradition. 2011 hat die Wochenzeitung «Falter» im Audimax der Universität Wien drei Kabarettisten aus Telefonaten des Ex-Finanzministers Karl-Heinz Grasser lesen lassen, die im Zuge einer Korruptionsaffäre abgehört worden waren.

Ende 2018 hatte im Akademietheater, ebenfalls in Kooperation mit dem «Falter», das Lesedrama «Alles kann passieren!» Premiere, eine vom Schriftsteller Doron Rabinovici zusammengestellte Collage aus Zitaten verschiedener europäischer Rechtspopulisten.