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Montag
03.05.2021

TV / Radio

Die neuen Social Media-Regeln sehen manche SRF-Mitarbeitenden als Überreaktion auf den Shitstorm, den Sandro Brotz mit seinem Corona-Tweet ausgelöst hat. (Bild © SRF)

Die neuen Social Media-Regeln sehen manche SRF-Mitarbeitenden als Überreaktion auf den Shitstorm, den Sandro Brotz mit seinem Corona-Tweet ausgelöst hat. (Bild © SRF)

Die neuen publizistischen Richtlinien sorgen unter den SRF-Mitarbeitenden für Unmut.

Speziell die Regeln zu Social Media empfinden manche als übergriffig und sehen darin eine Überreaktion auf den Shitstorm, den «Arena»-Moderator Sandro Brotz kürzlich mit seinem Corona-Tweet gezündet hatte.

«Bitte gestaltet eure Social-Media-Profile entsprechend unseren Leitlinien», wurden die Mitarbeitenden von Radio SRF in diesen Tagen via Intranet angehalten. Auf die Aufforderung folgt in der internen Mitteilung, die dem Klein Report vorliegt, eine Warnung: «Eine Teilnahme an virtuellen Kampagnen via Likes, Posts u.ä. ist mit unseren Jobs nicht vereinbar.»

Und nach der Warnung kommt schliesslich der Imperativ: «Das heisst, dass ihr Likes zum ‚Ehe für alle‘-Referendum aus euren Profilen entfernen müsst.»

Die interne Mitteilung stützt sich auf die publizistischen Leitlinien, die das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) Anfang April an die «aktuelle Medienwelt» angepasst hat. Das 100 Seiten starke Dokument kündigte der Sender damals als «Koordinatennetz für SRF im Dienst der Öffentlichkeit» an.

Im Abschnitt 10.3 zu den «politischen und ideellen Interessenkonflikten» steht dort unter anderem: «SRF-Mitarbeitende stellen sich nicht in den Dienst von öffentlichen Aktionen mit politischen Zielen.» Die Unterstützung von ideellen Kampagnen in sozialen Netzwerken, Plattformen oder Blogs seien zu «vermeiden».

Solche strengen Direktiven für die persönlichen Manöver in den Sozialen Medien wie beim «Ehe für alle»-Referendum kommen bei den SRF-Mitarbeitenden nicht gut an. Wie der Klein Report weiss, empfinden es manche als Übergriff und als Überreaktion nach dem Shitstorm, den «Arena»-Moderator Sandro Brotz Mitte März mit einem Tweet zur Anti-Corona-Demo in Liestal ausgelöst hatte.

Denn auf Twitter, Facebook und Co. sind die SRF-Journalisten ja nicht nur in ihrer Rolle als Angestellte eines gebührenfinanzierten Senders unterwegs und Sorgfalt und Zurückhaltung damit selbstverständlich. Sondern sie posten, liken und sharen auch ganz privat vom Sofa aus.

Und genau das versuchen die angepassten publizistischen Richtlinien mit einem neuen Abschnitt zu den «privaten Aktivitäten im Internet» zu regeln. Der Abschnitt 10.9 schreibt eine «erhöhte Sorgfaltspflicht» vor, und zwar «bei sämtlichen Aktivitäten im Netz». 

Wo aber verläuft die Grenze zwischen beruflich und privat? Das wissen die Leitlinien nicht so genau. 

Es gehe um «Abwägung», heisst es da: «Was ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, und womit mache ich mich abhängig oder angreifbar? Wo hört persönliche Begeisterung auf und schlägt in eine werberische Tätigkeit um?»

Was dies nun für das «Ehe für alle»-Referendum bedeutet, ist unklar: Nämlich, ob man beim Liken oder Sharen eines Postings verbotenerweise schon die Werbetrommel rührt oder ob man erlaubterweise nur die «eigene Persönlichkeit» zum Ausdruck bringt.

Wirklich weiter hilft auch folgende Formulierung nicht: «Einseitig dargestellte politische Inhalte sollten grundsätzlich nicht geliked oder geteilt werden», steht ebenfalls im Abschnitt 10.9. «Einseitig», «grundsätzlich»: Ja was gilt nun? 

Gegen das individuelle Abwägen von Fall zu Fall und die Selbstverantwortung der SRF-Mitarbeitenden für ihre private Feinmotorik auf Twitter und Co. ist an sich nichts einzuwenden, findet der Klein Report.

Nur steht dies in deutlichem Kontrast zu der zitierten internen Direktive, wonach die Likes zum «Ehe für alle»-Referendum aus den Social-Media-Profilen ausnahmslos und subito entfernt werden müssen.

Ein Rest Hoffnung bleibt den verärgerten SRF-Mitarbeitenden: In den kommenden Monaten sollen die neuen publizistischen Leitlinien nochmals angepasst werden. Die Schlussfassung soll im Herbst auf dem Tisch liegen.