Content:

Dienstag
29.06.2010

Modischer Wechsel bei der «NZZ am Sonntag»: Stilexperte Jeroen van Rooijen hat vergangene Woche die Leitung des Ressorts Stil/Magazin «Z - Die schönen Seiten» an die langjährige Redaktionskollegin Katharina Blansjaar übergeben. Im Klein-Report-Interview erklärte er, inwiefern er den Leserinnen und Leser der «NZZ am Sonntag» (NZZaS) erhalten bleibt und wie seine sonstigen Zukunftspläne aussehen. Und aufgepasst: Er hat dem Klein Report verraten, was er vom Kleidungsstil der Schweizer Medienschaffenden hält.

Klein Report: Sie waren seit 2003 Moderedaktor der NZZ und leiteten jahrelang den Stilbund der «NZZ am Sonntag» bzw. waren ab 2009 Redaktionsleiter des monatlichen Magazins «Z - Die schönen Seiten». Warum erfolgt gerade jetzt die berufliche Neuorientierung?
Jeroen van Rooijen: Ich brauchte nach acht Jahren bei der NZZ einen kreativen Wechsel, weil ich eine rastlose Natur bin und zunehmend unglücklich wurde angesichts der relativ bescheidenen Innovationskraft dieses im Grunde wundervollen und noch immer grossartigen Verlags.

Klein Report: Können Sie schon Genaueres über Ihre neuen Projekte verraten?
van Rooijen: Ich werde weiterhin als Autor für das Haus tätig sein, primär für den Stil-Bund und das Magazin Z der «NZZ am Sonntag», in kleinerem Umfang auch für die Tageszeitung und natürlich monatlich für das Folio, wo ich seit vier Jahren die Modeseite «Zerlegt» schreibe. Ich bin also weiterhin primär und fast exklusiv auf NZZ-Bühnen anzutreffen. Des Weiteren werde ich meine Radio-Stilkolumne bei DRS 3 weiterentwickeln, meine Arbeit als Zeitgeist-Analyst beim Deutschen Modeinstitut in Köln vertiefen und da und dort auch kreativ und konzeptionell/beratend tätig sein.

Klein Report: Gemäss Editorial von Chefredaktor Felix E. Müller bleiben Sie der «NZZ am Sonntag» und «Z - Die schönen Seiten» «weiterhin und intensiv» verbunden. Was muss man sich darunter vorstellen?
Jeroen van Rooijen: Ich stehe dem verbliebenen Team, das in absehbarer Zeit durch frische Talente ergänzt wird, bei Bedarf gerne beratend zur Verfügung, sei das redaktionell oder konzeptionell. Natürlich schreibe ich auch neue Geschichten aus der Welt der Mode. Und nach einer Sommerpause machen wir mit der Stilkolumne bei der NZZaS weiter, denn das Format stösst inzwischen auf reges Interesse der Leser, die Anzahl Zuschriften nimmt laufend zu.

Klein Report: Gemäss NZZaS-Ausgabe vom 27. Juni soll man weiterhin «Fragen zur Lebensart» an Ihre NZZ-Mailadresse schicken. Ist das eine Panne? Oder werden allenfalls während dem Sommer vorproduzierte Rubriken erscheinen?
Jeroen van Rooijen: Das ist keine Panne. Wir publizieren die Fragen und Antworten nicht nach der Reihenfolge des Eintreffens, sondern nach anderen Kriterien, etwa Originalität oder Dringlichkeit. So ist es sicher legitim, dass wir auch während der Sommerpause Fragen sammeln.

Klein Report: Wie war das Publikumsecho auf Ihre Rubriken? Überwiegten die positiven oder die negativen Rückmeldungen? Inwiefern äussersten sich die in «Wie sehen Sie denn aus?» beurteilten Prominenten zu Ihren Urteilen?
van Rooijen: Die in der früheren Rubrik beurteilten Prominenten haben sich selten oder nie über meine Analysen beschwert. Nur Patty Boser hat mal ein wenig geknurrt, aber dann auch wieder wie ein Kätzchen geschnurrt. Ich mag sie ja sehr gerne, wie überhaupt alle Menschen. Ich bin ja im Grunde ein froher und versöhnlicher Mensch, und die meisten Leser erkennen dies hinter der strengen Pose, die ich als Kolumnist einnehme. Die neue Rubrik wurde anfangs verhalten angenommen, stösst jetzt aber auf wirklich reges Interesse. Sie ist weniger aggressiv, und das ist vielleicht gut so.

Klein Report: Wie viel Stilkunde braucht es überhaupt in einer an ein breites Publikum gerichteten Wochenzeitung? In der aktuellen «NZZ am Sonntag» wird eine Seite lang beschrieben, wie lang die Männerbadehose sein darf, ohne auch nur in einem Satz auf allfällige Trendfarben und Muster einzugehen. Gibt es eventuell auch verzichtbare Stilkunde?
Jeroen van Rooijen: Natürlich ist das alles verzichtbar. Meine Wissenschaft ist nicht «nötig», die Welt dreht sich auch ohne Stil und Trends weiter. Insofern sind das alles Luxusprobleme. Wir sind aber eine Luxusgesellschaft, und da scheint es mir schon legitim, dass auch ein Publikumsblatt diese Themen aufgreift. Abgesehen davon, dass sich viele Menschen, die nicht alles im Leben bitter ernst nehmen, darüber amüsieren. Wir machen ja eine Art Edutainment - Volkserziehung mit
Unterhaltungscharakter.

Klein Report: Sie hatten das Pech, ausgerechnet während einer Wirtschaftskrise Redaktionsleiter der «Z - Die schönen Seiten» zu sein. Beeinflusste die Wirtschaftslage in irgendeiner Form Ihre Arbeit ?
Jeroen van Rooijen: Ich sehe das anders. Ich hatte das grosse Glück, das Konzept inmitten einer absoluten Hochkonjunktur (2006/07) lancieren zu können. Wir konnten uns in den ersten zwei Jahren vor Anzeigen kaum retten und mussten teils aus Platzgründen Wartelisten führen. Das waren goldene Zeiten, auch kommerziell. Seit Herbst 2008 lief es natürlich harziger, aber das Magazin «Z» war und ist zu allen Zeiten kostendeckend bzw. gewinnbringend, und wir haben seither vielleicht etwas weniger fette, aber inhaltlich umso bessere Magazine gemacht. Das Team hat sich total ins Zeug gelegt. Und: Weniger Anzeigenkunden heisst ja auch weniger Kompromisse. So gesehen erlebte ich mit «Z» die beste aller möglichen Kombinationen!

Klein Report: Zum Abschluss wären wir froh über ein Stilurteil über uns Journalistinnen und Journalisten. Wie gut sind eigentlich Medienschaffende angezogen? Wie lautet Ihr Kurzurteil über die Kolleginnen und Kollegen aus der Branche?
van Rooijen: Printjournalisten sehen meistens nicht nur pitoyabel aus, sondern kleiden sich auch so. Aber das macht nichts, sie stehen ja meistens nicht mit einem (Ganzkörper-)Foto in den Blättern, sondern müssen mit ihren Buchstabenkombinationen statt Outfits brillieren. Und von solchen Könnern haben wir ja - nicht nur bei der NZZaS - zum Glück genug.