Im Frühling hat Digital-Media-Leiter David Burst die Migros verlassen. Im Gespräch mit dem Klein Report spricht der Präsident von IAB Switzerland über Tücken und Chancen der Media-Planung im Digitalen - und darüber, wie sich die Schweizer Medien gegenüber Google geschickter aufstellen könnten.
Beim Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) kümmerte sich David Burst während acht Jahren um die Media-Planung. Unter anderem setzte er die Verträge mit Agenturen und Medienhäusern auf, leitete den digitalen Media-Bereich und gestaltete zusammen mit Philipp Marquard die strategische Media-Ausrichtung des orangen Riesen.
Heute widmet sich Burst als selbstständiger Unternehmer seiner Einmannfirma by burst und nimmt als Mitgründer des Team Cosmo neue Projekte in Angriff. Seit 2015 präsidiert David Burst den Branchenverband der Digitalwerbung IAB Switzerland.
Im Frühling 2010 starteten Sie bei der Migros, die letzten paar Jahre waren sie dort Leiter Digital Media und Konditionsmanagement. Wie hat sich die Media-Planung in den acht Jahren, in denen Sie beim MGB arbeiteten, verändert?
David Burst: «Die Mediennutzung hat sich in den letzten Jahren stark verändert, entsprechend hat der Begriff Media-Mix eine ganz neue Bedeutung erhalten. War früher klar, welches Medium oder welche Kombination für welche Aufgabe am geeignetsten ist, gibt es heute x-beliebige Variationen eines idealen Media-Mix...»
...wie meinen Sie das?
David Burst: «Wichtige Medien wie TV und Print haben stark an Reichweite eingebüsst, Digital ist stark gewachsen. Digital ist aber nicht einfach in eine Schublade zu stecken, da die Nutzung einzelner digitaler Plattformen stark unterschiedlich ist. Die zentrale Frage ist, welche Digitalmassnahmen die richtigen sind für die Ergänzung des Media-Mix und die Botschaft.»
Wie hat sich in diesem Zeitraum die Arbeit aus Sicht eines Auftraggebers entwickelt? Was sind die auffälligsten Einflüsse der Digitalisierung?
Burst: «Einerseits ist die Komplexität stark gewachsen, zudem gibt es im digitalen Bereich keine Best Practice, die einfach übernommen werden kann. Der Erfolg von Kampagnen ist stark von den jeweiligen Parametern wie Zielen, Botschaft, finanziellen Mitteln oder Laufzeit abhängig. Selbst bei demselben Werbeauftraggeber muss pro Kampagne neu evaluiert werden. Zudem ist die benötigte Technik nicht zu unterschätzen.»
Wie hat sich die starke Zunahme der digitalen Mediennutzung auf den Media-Mix ausgewirkt?
Burst: «Bei Kampagnen mit der Zielsetzung Reichweite, und dies in einer breiten Zielgruppe, sind klassische Medien unverzichtbar. Digital wurde immer stärker dazu eingesetzt, die Reichweitenverluste der anderen Medien aufzufangen, einen schnellen Reichweiteaufbau sicherzustellen und Zielgruppen mit einem sehr hohen digitalen Nutzungsverhalten anzusprechen. Zudem ist hohe Präsenz auf Socialmedia-Plattformen und im Such-Bereich unverzichtbar.»
Der Digitalbereich hat stetig zugenommen: Was sind aus Ihrer Sicht die Tücken der Digitalplanung?
Burst: «Im digitalen Bereich wird oft angenommen, alles ist messbar und digital ist deshalb effizienter als klassische Medien. Dies ist aber eine Utopie...»
...da zerstören Sie aber viele Illusionen. Wo sehen Sie denn die Vorteile?
Burst: «Ein digitales Reporting bietet einen elementaren Anhaltspunkt für die Bewertung der Massnahmen. Der Erfolg einer Kampagne ist von so vielen unterschiedlichen Indikatoren abhängig wie zum Beispiel Botschaft, Kommunikation der Mitbewerber, eigene Offline-Massnahmen, Angebot, Platzierung der Werbemittel und so weiter. Für die Bewertung von Digitalmassnahmen sollten möglichst alle Kommunikationsmassnahmen im Bereich Paid, Owned und Earned zusammengetragen werden - ein Erfolgskonzept, welches wir bei Team Cosmo konsequent verfolgen.»
Datenbasierte Vermarktung wird derzeit hochgejubelt: Wie stehen Sie persönlich beispielsweise zum Programmatic-Ansatz?
Burst: «Datenbasierte Kommunikation ist ein grosser USP der digitalen Kommunikation. Die Herausforderung liegt aber in der Qualität der Daten, der Anzahl User und darin, wo die Daten eingesetzt werden können. Für die Qualität gibt es keine Standards, meist ist das User Potential sehr klein und für den Einkauf ist man an fixe Publisher oder Technologien gebunden.»
Was halten Sie generell von Programmatic?
Burst: «Programmatic ist in der Grundidee super und macht für einzelne Kundensegmente bestimmt Sinn, jedoch ist zu beachten, dass die Technologie stark veraltet und der Prozess intransparent ist. Und dies bei immensen direkten und indirekten Kosten.»
Die Medienhäuser versuchen, mit dem Digital-Bereich ihre sinkenden Print-Erlöse zu kompensieren, und verpacken deshalb immer mehr Werbung, teilweise auch versteckt als Native Advertising, auf ihren Plattformen. Sehen Sie hier Risiken?
Burst: «Werbung muss so eingebunden werden, dass die User sie akzeptieren und der Werbetreibende eine ideale Platzierung und Werbeformate hat, um seine Botschaft zu übermitteln. Sind die Verhältnisse zwischen Usern, Werbetreibenden und Publisher nicht ausgeglichen, ist dies keine gute Voraussetzung.»
Google und Facebook werden häufig als grosse Antipoden der Schweizer Verleger, der SRG und von Swisscom genannt. Ist es richtig, sich den internationalen Mega-Playern auf dem Heimmarkt Schweiz anzupassen? Was wäre aus Ihrer Sicht die Alternative?
Burst: «Mit den Preisen der beiden kann ein Schweizer Publisher kaum mithalten, jedenfalls nicht langfristig. Im Bereich der Preis-Leistung jedoch schon. Dafür braucht es aber eine klare Differenzierung des Angebotes, insbesondere bei der Qualität.»
Wie könnte ein sinnvolles Angebot der Publisher bezogen auf den Schweizer Markt aussehen?
Burst: «Einerseits wird noch wenig im Bereich der Forschung unternommen: Welche Rolle spielen das Umfeld und die Platzierung des Werbemittels? Welche Werbeformate funktionieren und welche nicht? Wie muss das Verhältnis zwischen redaktionellem und kommerziellem Inhalt sein? Anderseits bin ich überzeugt, dass spezifische durchdachte Schweizer Lösungen hiesige Medienhäuser klarer positionieren und so einen langfristigen Vorteil bieten könnten.»
Als Präsident des Verbandes IAB Switzerland sind Sie sehr aktiv. Unter anderem versuchen Sie, mehr Transparenz im Digitalbereich zu schaffen. Welche Ziele verfolgt der Verband unter ihrem Präsidium?
Burst: «Ziel ist, den Zugang zur digitalen Kommunikation zu erleichtern und die Komplexität zu reduzieren. Neben der Wissensvermittlung ist die Etablierung von Standards dafür elementar, zum Beispiel Standards für Formate, Technologie, Pricing-Basis oder generelle Definitionen. Wir investieren auch sehr viel in den Bereich Education, einerseits mit der IAB Academy, anderseits mit verschiedenen Events für digitales Marketing.»