An der Gala des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger hat der Ehrenpräsident Hubert Burda am Montagabend beim Verdanken der «Ehren-Viktoria» überrascht: «Die Reichweite als Währung ist am Ende angekommen. Die neue Währung sind Daten.»
Die grosse Mehrheit der anwesenden Verleger-Prominenz hat dabei kräftig mitgenickt, obwohl die meisten scheinbar nicht verstanden haben, was Hubsi Burda gerade von sich gegeben hat. Die Reaktion von Medienexperten war da nicht so euphorisch: Thomas Koch, ein etablierter Medien- und Werbeexperte, twitterte beispielsweise: «Bin mir sehr unsicher, ob das wirklich stimmt.»
Oder Stephan Dorer, Verleger des Digital Pioneers Magazins «t3n», merkte an: «Verleger nicken, denn das klingt schlau. Ist aber Quatsch.» Und Christian Stoecker, Professor für Digital Kommunikation an der HAW Hamburg, setzte humorvoll nach: «Habe neulich versucht, ein Haus, ein Auto und ein Boot mit Daten zu bezahlen. Ging dann am Ende doch nicht.»
Für den Klein Report kommentiert der Schweizer Mediaexperte Sandro Prezzi: «Die Aussage, dass Daten wertvoller seien als Reichweite, ist falsch. Zumindest, wenn man es auf die klassischen Medien bezieht. Bei der Online-Werbung trifft die Aussage zu. Die im Vergleich zu Print niedrigeren Werbeerlöse werden durch Programmatic Advertising noch geringer. Ein grosser Teil der Wertschöpfung der Online-Werbung geht dabei an Datenanbieter, Analysten, Infrastruktur-, API-, Applikationsanbieter und die Betreiber der DSP, also Online- und Media-Agenturen.
Dass die Verleger dies nicht so prickelnd finden, ist klar. Denn der Aufwand, den sie für den Qualitätscontent betreiben, wird online nicht kleiner. Im Gegenteil, je mehr sich das Geschäftsmodell zu digital verschiebt, umso aufwändiger wird Content. Neben Text und Bild muss nun auch Bewegtbild produziert werden. Zudem kann eine reine Online-Redaktion nicht mehr über die Print-Redaktion subventioniert werden.
Für erfolgreiches Marketing und somit die Werbeauftraggeber ist aber Reichweite das wirklich Relevante. Dies wird durch neueste wissenschaftliche Studien eindrücklich belegt. Nicht ohne Grund nehmen Unternehmen wie Procter&Gamble, Müller Milch oder Coca-Cola nach jahrelangen Erfahrungen wieder Abstand von engen Zielgruppen und Online-Targetings. Die Abverkaufszahlen für Produkte, die konsequent mit Zielgruppen gesteuerten Kampagnen beworben wurden, gingen drastisch zurück. Erst als wieder auf Reichweite und Breitenmedien gesetzt wurde, haben die Abverkäufe wieder angezogen. Marketing-Kommunikation braucht Reichweite.
Wenn selbst Verleger nun an ihrer Reichweite zu zweifeln beginnen und Abo-Auflagen reduzieren, um Kosten zu senken, sparen sie am falschen Ort. Print, TV, Aussenwerbung und Radio sind noch mit grossem Abstand die reichweitenstärksten Medien - in der Schweiz wie auch in Deutschland. Die Digitalisierung fordert Umdenken und Innovationen. Wer aber seinen wertvollen Qualitätscontent kostenlos hergibt und ausschliesslich mit Online-Werbung finanzieren will, finanziert vor allem die globalen Online Player wie Google, Facebook und Co.»