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Donnerstag
14.04.2016

Medien / Publizistik

Voigt: «Werde mich etwas rar machen»

Voigt: «Werde mich etwas rar machen»

Hansi Voigt, Geschäftsführer und Chefredaktor von Watson, verlässt das Newsportal nach drei Jahren. In einem von ihm verfassten Artikel auf watson.ch lässt er am Dienstag seine Zeit beim Newsportal Revue passieren und klopft sich dabei auf 64 Zeilen selbst auf die Schulter. Gegenwind bekommt er von «Tages-Anzeiger»-Redaktorin Michèle Binswanger, die zum Annlass des Abschieds von Hansi Voigt zur Feder griff und in einem Artikel für den Tagi kein gutes Haar am «Chuck Norris des Onlinejournalismus» lässt.

Hansi Voigt hat Watson gemeinsam mit den AZ Medien gegründet und im Januar 2014 lanciert. Nun trennen sich die Wege des charismatischen Journalisten und des Verlegers Peter Wanner. Der Verwaltungsrat und Voigt hätten sich auf keinen gemeinsamen Weg und keine neue Führungsstruktur einigen können, schreiben die AZ Medien. Der neue Watson-Geschäftsführer Michael Wanner präzisierte gegenüber dem Klein Report, dass «der Verwaltungsrat sich dafür ausgesprochen hat, die Geschäftsleitung und die Chefredaktion zu trennen», Hansi Voigt aber dagegen gewesen sei.

Voigt selbst schreibt dazu: «Wenn zwei Menschen gleichzeitig durch eine Tür gehen wollen und sich nicht einigen können, ist davor und dahinter alles blockiert. Das bringt nichts. Nicht für Watson, nicht für mich. Ich gehe.» Michèle Binswanger hat zum Abschied Voigts ihre eigene Theorie: «Nun ist Ende, die Verlegerfamilie Wanner will nicht mehr, die Geschäftsleitung übernimmt Jungverleger Michael Wanner. Es war sein Erbe, das Voigt in den letzten drei Jahren um ein paar Millionen dezimiert hat».

Mit der von den AZ Medien kommunizierten Begründung zum Abschied Voigts seien wohl die «Differenzen bezüglich des doch eher sorglosen Umgangs Voigts mit dem Geld der Verlegerfamilie gemeint», schreibt sie weiter. Sorglos sei er schon früher gewesen, etwa wenn er sein Wirken bei «20 Minuten» zur Pionierleistung stilisiert habe, «obschon die Innovationen zur Zeit seines Wirkens bei `20 Minuten` doch sehr überschaubar sind».

Über ähnliche Pionierleistungen schreibt Voigt auch in seinem Kommentar zu seiner Zeit bei Watson. Pathos geschwängert und im Stile einer Kabinenansprache eines Sportcoaches aus einem schlechten Hollywood-Film schreibt er: «Wir haben alles bekommen. Zuerst grossen Respekt für unseren Mut von den einen und ein gerüttelt Mass an Hohn für unsere Naivität von den anderen. Dann App-Auszeichnungen, Jubelbeschreibungen für das selbst entwickelte CMS, Marketing-Awards und Journalistenpreise, irgendwann das Vertrauen des Werbemarkts und schliesslich die tiefe Gunst der Leser.»

Zudem glaube er, dass Watson in den letzten zwei Jahren einiges verändert habe. «Plötzlich versuchen sich auch die anderen im Storytelling statt in der Buchstaben-Tipperei. Aus dummen Lesern wurde die wertvolle Community, um die man Watson bereits beneidet, und journalistische Autoritäten wollen plötzlich den Usern auf Augenhöhe und in den sozialen Medien begegnen, statt von der Kanzel herab in leeren Kirchensälen zu predigen», schreibt er weiter. «Vielleicht gibt’s ja noch Hoffnung für den Journalismus? Wer hätte das gedacht?»

Zum Artikel von Michèle Binswanger twitterte Voigt am Dienstag: «Ich mag @mbinswanger auch nicht. Aber sie kann ihre Abneigung mir gegenüber einfach toll ausdrücken!» Ein Beispiel: Die Journalistin schreibt in ihrem Artikel, dass Voigt bei der Geschäftsleitung «auch nicht den Eindruck eines besonders cleveren Geschäftsmannes» hinterlassen habe. Diesem Eindruck konnte sich auch der Klein Report in der Vergangenheit nicht erwehren. Marketing, Verkauf - böhmische Dörfer für den dünnheutigen Voigt.

Binswanger weiter: «Das kümmerte ihn aber nicht besonders, denn er wusste seine Mängel geschickt zu kompensieren, indem er Jungjournalisten und ältere Verleger mit seinen fantastischen Ideen in Sachen Onlinejournalismus zutextete. Bis ihm am Ende alle glaubten, Verleger Wanner in Watson investierte und die halbe Redaktion von 20 Minuten online mit ihm die Stelle wechselte», schreibt sie weiter. Deshalb gelte er in der Branche heute als «Chuck Norris des Onlinejournalismus».

Auf Fragen zu seiner Zukunft und zum Abschied von Watson bekam der Klein Report am Dienstag von Hansi Voigt keine Antworten. In seinem Text trägt er nochmals dick auf: «Ich werde mich in nächster Zeit etwas rar machen und Abstand gewinnen.» Doch Watson werde gewinnen. Auch ohne ihn, und das sei gut so.