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Montag
15.11.2010

Vermutlich zum letzten Mal fand am Samstag im Kornhausforum in Bern der Medientag statt. Schon die Einladung mit einer abgebildeten, startenden Rakete zeugte vom Ende der beliebten Veranstaltung. Moderator Roland Jeanneret (63) brachte es auf den Punkt: «Das OK hört auf, und wenn wir niemanden finden, der das weiterführen will, ist das nach 20 Jahren leider der letzte Medientag.» Die Ausführungen der zahlreichen Kolleginnen und Kollegen aus der Medienbranche führten die Anwesenden im voll besetzten Saal in die eigene journalistische Tätigkeiten zurück. Es wurde über den Journalismus von gestern gefragt, ob das wirklich goldige Zeiten waren? Seppi Ritler war für den Klein Report vor Ort.

Im Themenbereich Journalismus von heute stand die Frage «Bonjour tristesse» im Vordergrund und für die Zukunftsaussichten wurde die Frage gestellt, wie es den wohl weitergehen wird. Roland Jeanneret streifte mit der Aufzählung der jeweiligen Themen an den bisherigen Medientagen die Mediengeschichte. So fragte man sich beispielsweise im Jahre 1989, ob das Internet überhaupt möglich sei oder später, ob Journalisten alles dürfen oder eben auch nicht.

Im Eintretensreferat erzählte Karl Lüönd (65), wie er die verschiedenen Strömungen miterlebt hatte. Journalisten seien immer mehr nicht nur für den Inhalt, sondern auch für die Form zuständig geworden. Kollegen wie Politjournalist Hans Fleig (1916 bis 1988) und der ehemalige «Blick»-Chefredaktor Peter Uebersax (85) hätten auf ihre Art neue Wege beschritten und Erfolg gehabt. Dr. Heinrich Oswald (1917 bis 2008) habe sofort erkannt, dass Bildung wichtig sei und habe die erste Journalistenschule bei Ringer ins Leben gerufen. Viele hätten Mühe mit dem Boulevard gehabt, es habe eine strategische Ratlosigkeit geherrscht. Das Internet habe viele Inserate weggenommen. Die Verlage haben 50 Prozent der Inserate verloren. Am Besten lebe es sich heute mit Nischenprodukten wie beispielsweise der «Tierwelt»; ein Titel den Lüönd in seinem Beraterportefeuille hat.

Die erste Diskussionsgruppe, moderiert von der Stadtpräsidentin von Burgdorf, Elisabeth Zäch (56), befasste sich vor allem mit dem Journalismus von gestern und fragte, ob das goldene Zeiten gewesen seien. Der ehemalige Chefredaktor des «Tages-Anzeigers» und des Schweizer Fernsehens, Peter Studer (75), erinnerte sich, dass die früheren Zeiten hoch ideologisiert waren. «Es war sehr giftig. Ich wollte einen gewissen Abstand und versuchte auszugleichen. Die Zeiten waren nicht nur rosig.» Er sei überrascht, wie seriös heute gearbeitet werde. Beim Fernsehen habe sich das Tempo gesteigert. Früher habe es die Ethik im Journalismus nicht gegeben, diese spiele heute eine grössere Rolle.

In der zweiten Runde, moderiert von Radiomoderatorin Barbara Büttner, streiften unter anderen Heiner Hug (64), Franziska von Weissenfluh, Urs Paul Engeler und Urs Zurlinden die heutige Situation. Der «Weltwoche»-Redator Urs Paul Engeler meinte, dass alles schon einmal da war, und dass man das Internet überall verschlafen habe. Man könne sich heute überall informieren. Die Auswahl und nicht der Stil sei heute wichtig.

Für Urs Zurlinden hat auch in den Printmedien die Unterhaltung Einzug gehalten und die werde künftig zunehmen. Die PR-Flut aus den Amtsstuben sei fürchterlich. Man habe fast keinen freien Zugang mehr zu den Bundesbehörden, «die Medien werden gesteuert und das ist nicht gut». Auch Urs Paul Engeler stellte fest, dass man früher fast nichts erfahren habe und «heute kommt eine Sturzflut auf die Journalisten zu».

Der im Publikum sitzende Oswald Sigg (66) erklärte, warum heute die Türen zugehen. Das habe mit den Veränderungen in der Medienwelt zu tun, die das Abbild der Politik zeigen. Es seien bei verschiedenen Berichterstattungen über nationale Themen dramatische Rückgänge zu verzeichnen.

Die heutige Form der Tagesschau des Schweizer Fernsehens ist für den ehemaligen Chefredaktor Heiner Hug (64) in Ordnung, obwohl viele junge Menschen die Sendung nicht sehen wollen. «Ich würde das Konzept nicht ändern. Die Tagesschau muss glaubhaft bleiben.» Er findet die dauernden Klagen über den Niedergang der Medien nicht gut. Zwanzig Prozent möchten gescheite Medien lesen. 80 Prozent wollen das nicht, die seien mit «20 Minuten» zufrieden, meinte der ehemalige Fernsehjournalist. Und er folgert daraus, dass es immer gescheite Medien geben werde und dass die einfach teurer würden.

Die Flut der Nachrichten ist auch für das Fernsehen ein Problem. Heiner Hug glaubt an die Fähigkeit der Kolleginnen und Kollegen, die täglich das Wichtigste von bis zu sieben Stunden eingegangenem Filmmaterial bewältigen müssen. Die Sparwut einzelner Verlage macht ihm auch zu schaffen. «Da werden einerseits Büros in verschiedenen Ländern geschlossen und anderseits verdienen die Verlage Millionen. Da leidet die Qualität.»

Als Hug erklärte, dass er gedenke, die Auslagen für seine kürzlich ins Leben gerufene Internetzeitung «Journal21» mit Werbung zu finanzieren, obwohl alle Journalisten gratis arbeiten, löste er damit die Reaktion einer Sprecherin der Mediengewerkschaft Comedia aus, die das bedenklich fand. Diese Gelder würden den Zeitungen fehlen.

Dumm und bedenklich findet der Klein Report viel mehr, dass die pensionierten Journalisten gratis arbeiten. Gratis ist in erster Linie ein Absatzkanal, liebe Oldies!

Auch in der dritten Gruppe, die sich mit der Zukunft beschäftigte, stellte man fest, dass die Verleger und Journalisten weltweit das Internet verschlafen hätten. Daniel Eckmann (60) erklärte, dass in der heutigen Zeit der Überfluss der Informationen das Problem sei und nicht die Frage, wie man an die Informationen gelange. Es werde auch in Zukunft immer Radio, Fernsehen und Internet geben. Im Gegensatz zu früher kommen die Medien zu den Leuten. «Alles wird überall erhältlich sein.» Die Frage ist, wie man all diese Informationen ordnen kann. Auch die Ausbildung werde sich stark verändern. Alle Beteiligten - also alle Plus 60er - erklärten unisono, dass sie den Beruf des Journalisten wieder ergreifen würden.