Der grosse Event-Zweiteiler «Gotthard» geht in die Geschichte ein: Weil er mit knapp sechs Millionen Franken die teuerste Produktion der SRG ist. Grosse Teile des Films wurden nicht in der Schweiz, sondern in Tschechien und in Köln gedreht, was etliche Fragen aufwirft. Der Klein Report hat sie Urs Fitze, Bereichsleiter Fiktion bei SRF, gestellt.
Mit «Gotthard» leistet sich SRF nach eigenen Angaben die teuerste TV-Produktion aller Zeiten und das in Zeiten, wo auch bei der SRG kräftig gespart werden muss. Wie passt das zusammen?
Urs Fitze: «SRF realisiert normalerweise pro Jahr vier Fernsehfilme. Um das Grossprojekt Gotthard produzieren zu können, wurden im Jahr 2016 nur zwei Schweizer Filme produziert. Dadurch entstanden SRF keine Mehrkosten, sondern die benötigten Gelder konnten umgelagert werden. Nur dank der Unterstützung internationaler Koproduzenten und verschiedenen Filmförderungen war es möglich, ein Projekt dieser Dimension umzusetzen.»
«Gotthard» hat 11 Millionen Franken gekostet, ZDF und ORF haben als Koproduzenten fünf Millionen beigesteuert. Bleiben sechs Millionen Franken für SRF. Eine stattliche Summe für einen Zweiteiler. Was machte die Produktion letztlich so teuer?
Fitze: «Die Gesamtkosten für das zweiteilige Event-Movie liegen bei rund 11 Millionen Franken, gut die Hälfte der Kosten, 5,7 Millionen Franken, haben die SRG und ihre Unternehmenseinheiten getragen, wobei der Anteil von SRF bei 3,6 Millionen Franken liegt. Die restlichen Gelder stammen von den ausländischen Koproduzenten sowie aus der Filmförderung.»
Wie Sie auf der Homepage schreiben, wurde nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Prag und in Deutschland gedreht. In einem stillgelegten Steinbruch bei Prag wurde das Tunneldorf samt Unterkünfte für die Arbeiter nachgebaut. Warum in Prag? Gibt es in der Schweiz keine stillgelegten Steinbrüche?
Fitze: «Einen Steinbruch in der benötigten Grösse gibt es in der Schweiz tatsächlich nicht. Die Möglichkeit, den Film in der Nähe von Prag auf diesem Gelände drehen zu können, war ein Glücksfall für uns und hat geholfen, die Produktionskosten deutlich zu reduzieren.»
Für den Nachbau des Stollens ist man nach Deutschland ausgewichen. Hätte man diese Filmaufnahmen nicht ins Ausland verlegt, wären wenigsten ein Teil der immensen Produktionskosten in der Schweiz ausgegeben worden. Doch nun haben Deutschland und die Tschechei profitiert. Die SRG ernährt sich bekanntlich unter anderem vor allem von einem grossen Gebührentopf. Muss sie da nicht jede Ausgabe seriöser überdenken?
Urs Fitze: «Bei dieser Produktion handelt es sich nicht nur um eine nationale, sondern auch um eine internationale Koproduktion, was bedeutet, dass mehrere Länder Geld in dieses Projekt investiert haben. Es liegt also in der Natur der Sache, dass die verschiedenen Drehorte nicht nur in der Schweiz angesiedelt sind. Die gesamten Produktionskosten im Ausland wurden ausschliesslich mit ausländischen Geldern finanziert. Die von der SRG investierten rund 5,7 Millionen Franken wurden vollumfänglich in der Schweiz investiert. In Tschechien werden regelmässig historische Filme gedreht, dort existieren die entsprechenden Requisiten wie zum Beispiel Pferdekutschen. Solche Requisiten gibt es in der Schweiz und in Deutschland nicht. Der Transport war aus versicherungstechnischen Gründen nicht möglich.»
Ein Aufhänger von «Gotthard» ist neben der schweisstreibenden und gefährlichen Arbeit der Mineure die Liebesgeschichte zwischen der Fuhrhaltertochter Anna, gespielt von Miriam Stein, und Maxim Mehmet als deutscher Ingenieur. Schon die Festivalbesucher in Locarno, wo «Gotthard» seine Weltpremiere feierte, fanden diese Geschichte arg kitschig und völlig unnötig. Die spannende Geschichte des Gotthardtunnels brauche gar keine Liebensgeschichte, finden viele. Warum ist sie trotzdem Teil des Films?
Fitze: «Das Publikum bei den Vorpremieren hat genau diese Liebesgeschichte mitten ins Herz getroffen und berührt. Spannend an dieser Erzählung finde ich den Entscheid, die Geschichte dieses Jahrhundertbauwerks aus der Sicht der `kleinen Leute` zu erzählen, die heute in keinen Geschichtsbüchern mehr genannt werden. Die Fuhrmannstocher Anna, der junge Ingenieur Max und der Mineur Tommaso aus Italien stehen für jene Menschen, die diesen Tunnel geschaffen haben, die aber danach in Vergessenheit geraten sind.»
SRF hat mit «Gotthard» erstmals in seiner Geschichte einen so teuren und auch aufwändigen Film gemacht. Welche Erfahrungen nehmen Sie aus solchen Produktionen mit? Welche Fehler sind passiert, was würden Sie heute anders machen?
Fitze: «Unsere Partnersender ZDF und ORF brachten bereits einige Erfahrung in der Produktion von historischen Spielfilmen mit (`Adlo`, `Unsere Mütter`, `Unsere Väter`, `Kudamm 56` und andere), und auch die Produzenten von Zodiac Pictures haben schon einige aufwändige und grosse Spielfilme produziert, zuletzt den Kassenschlager «Heidi». Von diesem Know-how hat unser Projekt enorm profitiert, und aus diesem Grund verliefen die Produktionsarbeiten reibungslos. Eine besondere Herausforderung war und ist die Kommunikation mit allen Beteiligten Sendern: RSI, RTS, ORF und ZDF.»
Welche XL-Produktion ist als nächstes geplant?
Urs Fitze: «Ein Projekt in dieser Grössenordnung wird bei SRF auch in den kommenden Jahren die Ausnahme bleiben. Wir möchten aber weiterhin grosse Geschichten aus der Schweiz über eine längere Zeitdauer als 90 Minuten erzählen. Deshalb planen wir für 2017 einen weiteren zweiteiligen Fernsehfilm, wieder zu einem urschweizerischen Thema: Banken. Bei diesem Projekt handelt es sich aber um einen zeitgenössischen Stoff und die Geschichte spielt im Heute, weshalb die Produktionskosten bedeutend tiefer liegen werden.»