Content:

Sonntag
10.06.2012

Das Bundesgericht hat im Rechtsstreit zwischen Google und dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (Edöb), Hanspeter Thür, entschieden, und beide Parteien sind mit dem Urteil zufrieden. Oder tun zumindest so. Google zeigte sich erfreut darüber, dass das oberste Schweizer Gericht dem Internetgiganten in einem zentralen Punkt recht gegeben hat: Google Street View muss die rund ein Prozent Gesichter und Fahrzeugkennzeichen, welche trotz automatischer Anonymisierung noch erkennbar sind, nicht selber verpixeln.

Allerdings, so das Gericht, müsse Google die Bevölkerung besser über die Widerspruchsmöglichkeiten informieren. Die aktuell aufgeschaltete, kaum erkennbare Schaltfläche zur Meldung von Problemen genüge nicht. Das Bundesgericht verlangt vielmehr einen gut sichtbaren Link mit klarer Beschriftung. Beanstandungen müssen zudem auch auf dem Postweg eingereicht werden können. Zudem, so das Bundesgericht, müsse Google Street View seine Technologie zur Anonymisierung fortlaufend verbessern und dem Stand der Technik anpassen.

Weiter muss Google mindestens eine Woche im Voraus informieren, in welchen Städten und Dörfern Aufnahmen getätigt werden, und eine Woche vor der Aufschaltung bekannt geben, welche Örtlichkeiten aufgeschaltet werden. Diese Information muss nicht nur auf dem Internet, sondern auch in den lokalen Medien erfolgen.

«Wir freuen uns, dass uns das Schweizerische Bundesgericht in einem Hauptbestandteil unserer Beschwerde bestätigt hat», so Daniel Schönberger, Head of Legal Switzerland von Google, in einer Mitteilung vom Freitag. Das Gericht erkenne damit an, «dass wir umfangreiche Datenschutzmassnahmen in Street View integriert haben - wie zum Beispiel das automatische Anonymisieren von Gesichtern und Autokennzeichen. Wir sehen uns das Urteil nun genau an, besprechen es mit dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten und prüfen die sich bietenden Möglichkeiten.»

Das Bundesverwaltungsgericht hatte im März 2011 auf Betreiben des Datenschutzbeauftragten strenge Auflagen für Google Street View in der Schweiz erlassen. Google hatte damals bekannt gegeben, dass es mit dieser Auflage den Dienst in der Schweiz nicht mehr anbieten könne, und den Entscheid ans Bundesgericht weitergezogen. Mit der Zulassung der automatischen Anonymisierung kann Google seinen umstrittenen Dienst in der Schweiz wohl weiter anbieten.

Doch auch Datenschützer Hanspeter Thür sieht sich als Sieger und zeigte sich gegenüber den Medien «sehr erfreut» über das Urteil, denn das Bundesgericht hat Google strenge Auflagen auferlegt. So muss bei Aufnahmen von sensiblen Einrichtungen, insbesondere Frauenhäusern, Altersheimen, Gefängnissen, Schulen, Gerichten und Spitälern, in Street View die vollständige Anonymisierung vor der Aufschaltung im Internet gewährleistet sein. Das oberste Gericht präzisiert, dass nebst den Gesichtern auch weitere individualisierende Merkmale wie Hautfarbe, Kleidung, Hilfsmittel von körperlich behinderten Personen etc. nicht mehr feststellbar sein dürfen. Das bedeutet, dass in diesen Fällen eine Verpixelung der Gesichter nicht genügt und eine manuelle Bearbeitung der Bilder erforderlich ist.

Weiter hatte der Datenschutzbeauftragte kritisiert, dass die hoch stehenden Kameras von Google Street View auch Einblicke in private Bereiche wie umfriedete Höfe und Gärten ermöglichen. Das Gericht stützt nun diese Sicht und hält fest, dass Abbildungen von Privatbereichen, die dem Einblick eines gewöhnlichen Passanten verschlossen bleiben, nicht ohne die Einwilligung der Betroffenen veröffentlicht werden dürfen. Für bereits aufgeschaltete Bilder gewährt das Gericht eine Übergangsfrist von drei Jahren für die entsprechende Korrektur, während neu aufzuschaltende Bilder dieser Anforderung genügen müssen.

Insbesondere die nachträgliche Bearbeitung von Bildern im Umfeld «sensibler Gebäude» und von Einblicken in Höfe und Gärten dürfte Google vor einige Probleme respektive einen grossen Aufwand stellen.