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Mittwoch
08.09.2010

Der Jugendsender Radio 105 feiert am 9. September sein einjähriges UKW-Jubiläum. Das Team um Gründer und Inhaber Giuseppe Scaglione lässt es im Zürcher X-Tra an der grossen «105 DJ Night» so richtig krachen. Der Klein Report hat sich mit dem Radiounternehmer über seine Ambitionen im Radiogeschäft, die neue Vermarktungssituation auf dem Schweizer Markt und seine ganz persönlichen Ziele unterhalten.

Klein Report: Wo stehen Sie heute mit Radio 105?
Giuseppe Scaglione: «Wir hätten nie gedacht, dass wir nach einem Jahr UKW-Verbreitung schon an einem derart guten Punkt stehen. Radio 105 hat es geschafft, in Zürich unter jungen Leuten einen totalen Hype auszulösen. Vor allem während den letzten Monaten konnten wir praktisch täglich mitverfolgen, wie die Beliebtheit des Senders gestiegen ist. Die Leute, die uns kennen und hören, lieben uns. Ähnlich wie Apple keine Kunden, sondern Fans hat, haben auch wir nicht nur gewöhnliche Hörer, sondern Fans. Unsere Moderatoren werden auf der Strasse angesprochen und mit Komplimenten überhäuft. Sowas ist eine riesige Genugtuung.»

Klein Report: Wie ist der «Übergang» vom Kabelbetrieb auf UKW verlaufen?
Scaglione: «Der technische Übergang verlief reibungslos. Gleichzeitig hat aber mit dem UKW-Start auch ein gewisser Mentalitätswandel stattgefunden. Durch die UKW-Konzession für den Raum Zürich befinden wir uns quasi im Medienschaufenster der Schweiz. Wir werden von Mitbewerbern und anderen Medien sehr genau beobachtet und - wie das jüngste Beispiel von DRS 3 zeigt, wo unser Konzept übernommen wurde und nun seit 30. August 2010 auch mit Videokameras im Radiostudio operiert wird - auch öfters kopiert.»

Klein Report: Wie viele Mitarbeitende hatte Radio 105 zu Beginn? Und heute?
Scaglione: «Ganz am Anfang waren wir zu fünft. Eine kleine, wild entschlossene Truppe von Radiofreaks. Heute sind wir 20 Festangestellte und 20 freie Mitarbeiter. Und immer noch fest entschlossen, Berge zu versetzen.»

Klein Report: Was ist heute anders als in der Pionierphase von Radio 105?
Giuseppe Scaglione: «Der Spirit, Berge versetzen zu wollen, gegen das Establishment anzukämpfen und es allen zu zeigen, ist immer noch da. Im Unterschied zu damals haben wir heute einfach nicht mehr das Gefühl, dass dies innerhalb eines halben Jahres erreicht werden muss. Wir sind in den letzten 12 Jahren zum routinierten Langstreckenläufer geworden und wissen, dass alles seine Zeit braucht - und dass aber auch die grössten Träume zum richtigen Zeitpunkt Realität werden können. Und heute ist natürlich vieles professioneller und routinierter als in den ersten Sendeminuten im Kabelnetz im Jahr 1998.»

Klein Report: Wem gehört der Sender heute? Und wie sind die Anteile verteilt?
Scaglione: «Die Aktionärsstruktur ist immer noch dieselbe: Ich selber bin mit 54 Prozent Mehrheitsaktionär und meine italienischen Partner, Alberto Hazan und Roberto Meazza, welche in Italien Radio Centocinque gegründet und gross gemacht haben, halten eine Minderheitsbeteiligung von 46 Prozent.»

Klein Report: Nachdem Sie eine der beiden zugesprochenen Radiokonzessionen, diejenige von Radio Monte Carlo (RMC), Anfang Jahr an Radio Energy Zürich verkauft haben, ist jetzt wieder etwas Ruhe eingekehrt?
Scaglione: «Ja, auf jeden Fall. Der Lärm rund um diesen Verkauf war ja rein künstlich inszeniert worden. Die scheinheilige Empörung kam ausgerechnet von Leuten, die selber in der Vergangenheit ihre Konzessionen verkauft und sich daran bereichert hatten.»

Klein Report: Oder gibt es hier immer noch «offene» Rechnungen von Mitbewerbern?
Giuseppe Scaglione: «Nicht, dass ich wüsste. Wir haben jedenfalls mit niemandem eine Rechnung offen. Wir sehen uns in einem harten, aber fairen Wettbewerb. Möge der Beste gewinnen. Ich hoffe, das sehen alle so.»

Klein Report: Wie sehen Sie die Entwicklung in der Schweizer Radiovermarktung, nachdem seit Kurzem zwei neue Radiopools auf dem Markt auftreten?
Scaglione: «Die ganze Pooldiskussion betrifft uns nicht, da wir in all den Jahren noch nie in einem Pool Mitglied waren. Wir beobachten das ganze mal. Diese Diskussion rund um die Pools würde uns ohnehin nur indirekt betreffen, da seit Anfang Jahr Energy unsere klassischen Radiospots vermarktet. Wir hingegen konzentrieren uns voll und ganz auf die Vermarktung und Umsetzung von Sponsorings, Promotionen, Events und Sonderwerbeformen. Das läuft alles direkt über uns. In diesen Bereichen konnten wir in letzten Jahren ein sehr grosses Know-how aufbauen.»

Klein Report: Zurzeit gibt es wieder ziemlich viel Ärger mit der Publica Data. Einige Radiostationen sind sehr unzufrieden mit der Gewichtung ihrer jeweiligen Stationen durch die Publica-Data-Messungen. Wie ist der Stand von Radio 105 im Zusammenhang mit der Publica Data?
Giuseppe Scaglione: «Die ganze Radiocontrol-Hörerforschung durch die Publica Data bzw. durch die Mediapulse ist völlig unglaubwürdig. Wenn diese Studie - wie in unserem Fall - einem Jugendsender während einer Hip-Hop-Sendung ein Durchschnittsalter der Hörer von 87 Jahren attestiert - dann ist das nur noch lächerlich. Diesen 87-Jährigen, der auf Hip-Hop steht, möchte ich gerne persönlich kennenlernen und mit ihm sprechen.»

Klein Report: Ist das ein Einzelfall?
Scaglione: «Nein, dieses Phänomen mit den über 70-jährigen Hörern ist kein Ausreisser - wie es die Publica Data uns glauben lassen will -, sondern wiederholt sich ständig. Wir können das belegen. Entweder weht ein völlig neuer Wind in schweizerischen Altersheimen oder die Zahlen von Radiocontrol sind radikal falsch. Das letztere ist anzunehmen. Wir haben nun einen Anwalt eingeschaltet und werden der Sache auf den Grund gehen.»

Klein Report: Haben Sie diesen Fall der Publica Data vorgelegt?
Giuseppe Scaglione: «Ja, natürlich. Ein weiteres krasses Beispiel: Im Mai 2009 hatte Radio 105 47 000 Hörer im Kabelnetz. Im September 2009 nach erfolgtem UKW-Start soll Radio 105 im Kabelnetz nur noch 15 000 Hörer gehabt haben. Einfach so. Von einem Tag auf den anderen. Das schreit doch zum Himmel. Wer Radio 105 im Kabel gehört hat, also stationär zu Hause, wird dies auch weiterhin tun. Zusätzlich müsste doch der mobile Empfang über UKW hinzukommen.»

Klein Report: Was möchten Sie geändert haben?
Giuseppe Scaglione: «Ohne dem laufenden Verfahren vorgreifen zu wollen, scheint jetzt schon klar zu sein, dass schlicht zu wenig Messuhren unter Jugendlichen verteilt werden. Zudem bestehen grosse Zweifel, ob diese Uhren überhaupt vernünftig in der Bevölkerung rotieren, oder ob immer die gleichen Leute diese Uhr zum Tragen erhalten. Fragen Sie sich doch einmal, wie viele Leute Sie persönlich kennen, die schon mal diese Radiocontrol-Uhr erhalten haben. Wahrscheinlich kennen Sie niemanden. Und das erklärt ja schon vieles.»

Klein Report: Was läuft Ihrer Ansicht nach in der Radiocontrol-Forschung falsch?
Giuseppe Scaglione: «Es wird immer offensichtlicher, dass das Ganze nicht nur technische und methodische, sondern auch politische Dimensionen hat. Wir haben nämlich festgestellt, dass der SRG-Jugendsender Virus praktisch immer null Hörer hat. Wie ein Wunder hat dieser Sender aber ausgerechnet rund um die volle Stunde Hörer. Woran liegt das wohl? Das liegt meiner Ansicht nach daran, dass Virus zur vollen Stunde die Nachrichten von DRS 3 aufschaltet. Da DRS 3 quasi schon genug Hörer hat, hat man bei der SRG eine verblüffend kreative Methode gefunden, Virus aus dem Elend zu helfen: DRS 3 gibt einfach zur vollen Stunde ein paar Hörer an Virus ab. Und plötzlich steht Virus gar nicht mehr so schlecht da. Das geht, weil der Hörerabtausch praktisch im gleichen Haus stattfindet. Das Beste kommt aber noch: Virus gewann im letzten Jahr am Radioday den Award als `Radio of the Year` und wurde dadurch für seinen angeblichen Hörererfolg ausgezeichnet. Zynischer gehts wohl kaum. Im Ausland würde ein solcher Skandal auf den Titelseiten landen - in der Schweiz herrscht diesbezüglich `betroffenes Schweigen`. Virus müsste die Grösse haben und den Preis sofort zurückgeben. Er wurde unter Vorspiegelung falscher Tatsachen (bzw. falscher Hörer) erschlichen.»

Klein Report: Das ist ein harter Vorwurf ...
Giuseppe Scaglione: «Ja, ich weiss, wir können das aber belegen.»

Klein Report. Über Ihr Privatleben weiss man sehr wenig. Was kann Giuseppe Scaglione über Giuseppe Scaglione privat verraten?
Scaglione: «Ich bin in Basel beziehungsweise im Kleinbasel geboren und aufgewachsen und lebe heute am Sempachersee. Meine Ehefrau, Paola, arbeitet auch mit mir im Betrieb. Wir arbeiten praktisch nonstop, deshalb bleibt das sogenannte Privatleben oft auf der Strecke. Ich selber bin schon seit der Kindheit ein totaler Musikfan. Mit 15 Jahren hatte ich schon mein eigenes kleines Tonstudio und eine riesige Plattensammlung. Mein ganzes Taschengeld ging immer für neue Platten drauf. Mein Lieblingsmusiker ist seit 26 Jahren der Italo-Rocker Vasco Rossi. Seine erste Platte kaufte ich mir mit 14 Jahren und war sofort ein Fan. Besonders mag ich - wen wunderts - die italienische Küche und Ferien im Südtirol oder auf Sardinien und Sizilien.»

Klein Report: Wo wollen Sie in zehn Jahren beruflich stehen?
Scaglione: «Vielleicht sind wir ja auch schon in fünf Jahren so weit: Dann möchte ich mit meinen Sendern ganz oben in der Hitparade mitspielen. Bis dahin wird es auch möglich sein, all unsere Sender national (und mobil) zu verbreiten, sodass man sie im ganzen Land ohne Einschränkungen hören kann. Ob das via DAB oder mit anderen digitalen Technologien der Fall sein wird, spielt eigentlich gar nicht eine grosse Rolle. Wir werden dann zum ersten Mal auf Augenhöhe mit den SRG-Programmen sein. Das wird spannend. Und wenn es halt doch noch zehn Jahre bis zu diesem Traum dauert - seis drum. Wir haben ja gelernt, Geduld und einen langen Atem zu haben.»

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