Die Zürcher Agentur Ginetta feierte ihren 10. Geburtstag im «Daizy» in der Binz. Der Klein Report sprach mit Gründer Simon Raess über User Experience, den rasant wachsenden App-Markt und die Zukunft der Digitalagenturen.
Simon Raess, Sie gründeten Ihre Agentur 2008 an zwei Ateliertischen in der Berner Matte – «mehr als verrückte Idee», wie Sie es einmal bezeichneten. Was war die Initialzündung für Ihr Unternehmen, das heute Apps, Websites und Onlineshops baut?
Simon Raess: «Ginetta ist aus dem Wunsch entstanden, digitale Erlebnisse radikal zu vereinfachen. Damals hat in der Schweiz noch fast niemand von User Experience gesprochen, und entsprechend gab es auch überhaupt keine Nachfrage am Markt. Wir mussten unseren Kunden immer wieder erklären, was UX bedeutet und dass es lukrativ und nachhaltig ist, die Benutzer in den Mittelpunkt zu stellen.»
Was zählen Sie zu Ihren grössten Erfolgen?
Raess: «Wir sind stolz auf unsere Kultur: In selbstorganisierten Teams übernehmen die Mitarbeiter sehr viel Verantwortung gegenüber ihren Kollegen und Kunden. Diese neue Art der Zusammenarbeit fördert die Lernbereitschaft und ist der Schlüssel für unseren Erfolg.»
Und was hat Sie enttäuscht?
Raess: «Wie überall, gibt es auch bei uns viele Enttäuschungen. Wir sehen diese Enttäuschungen aber als Chancen, unsere Arbeit noch besser zu machen und unterstützen uns dabei gegenseitig.»
Wie haben sich Umsatz und Mitarbeiterzahl Ihres Unternehmens entwickelt?
Raess: «In den vergangenen vier Jahren konnten wir die Anzahl der Mitarbeiter mehr als verdoppeln. Der Umsatz ist entsprechend gewachsen. Mit der aktuellen Grösse können wir auch mehrere anspruchsvolle Projekte gleichzeitig umsetzen, ohne den Zusammenhalt zu verlieren. Deshalb sehen wir keinen Grund, unser Wachstum weiter zu beschleunigen.»
Sie haben schon für Unternehmen wie Hilti, Swiss Re oder für das «Migros-Magazin» gearbeitet. Aber ihr bekanntestes Kind ist wohl die App für die SBB. Wie lief dieses Projekt ab?
Raess: «Wir durften zunächst eine Strategie erarbeiten, wie man die zahlreichen Applikationen der SBB in einer einzigen App zusammenführen kann. Unser Konzept hat überzeugt, und so konnten wir anschliessend den modularen Home Screen neu gestalten, die klassische Fahrplanabfrage verbessern und den Billett-Kaufprozess wesentlich vereinfachen. Während dem Projekt haben wir unsere Ideen immer wieder mit Benutzern aus der Zielgruppe getestet und optimiert. Die technische Umsetzung erfolgte dann bei der SBB intern in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern.»
Anfang 2018 haben Sie ein Büro in Bern eröffnet, also dort, wo alles anfing. Wie ist nun das erste halbe Jahr von Ginetta in Bern verlaufen?
Raess: «Wir haben mit Frank Salathé einen kompetenten und engagierten Experten gefunden. Frank passt sehr gut zu Ginetta. Er hilft uns, den Standort Bern zu entwickeln. Mit der Mobiliar, der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) und anderen Kunden haben wir bereits einen fulminanten Start hingelegt …»
Gibt es Pläne für weitere Standorte?
Raess: «Wir haben noch keine konkreten Pläne für eine Expansion ins Ausland. Wir erhalten aber immer mehr Anfragen aus der Westschweiz sowie aus Deutschland und aus Grossbritannien.»
Wie schätzen Sie die momentane Lage in der Branche ein?
Raess: «Der Markt entwickelt sich sehr gut. Immer mehr Firmen verstehen die Mechanismen der digitalen Welt. Es geht ja darum, die Benutzer in den Mittelpunkt zu stellen, deren Bedürfnisse genau zu analysieren und daraus ein attraktives Angebot zu gestalten. Eine langfristige und gezielte Investition in diesem Bereich ist für viele Firmen überlebenswichtig. Die Wahl eines kompetenten Partners kann dabei sehr wichtig sein. Deshalb boomt die Branche.»
Ist der Markt nicht bald gesättigt?
Raess: «Es hat in der Schweiz noch sehr viel Raum für starke Agenturen, die hervorragende digitale Erlebnisse gestalten und entwickeln. Im Mittelfeld gibt es aber ein sehr breites Angebot.»
Was kann man in den nächsten Jahren von Ginetta erwarten?
Raess: «Wir wollen unsere strategische Beratungskompetenz noch erweitern und vertiefen. Gleichzeitig werden wir unser Angebot in der technischen Umsetzung weiter ausbauen. So können wir unsere Kunden noch besser von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt begleiten und dafür sorgen, dass die Bedürfnisse der Benutzer noch stärker berücksichtigt werden. Mit diesem Ansatz können sich unsere Kunden immer erfolgreicher in der digitalen Welt positionieren und weiter wachsen. Diesen Wettbewerbsvorteil wollen wir in Zukunft auch vermehrt für internationale Kunden anbieten.»