Der Europäische Gerichtshof für Menschrechte hat ein Urteil des Bundesgerichts über das versteckte Filmen durch Journalisten aufgehoben. Vier Journalisten des Schweizer Fernsehens (SRF) hatten sich gegen das Verbot dieser verdeckten Recherche gewehrt.
Beim Fall geht es um einen Bericht der Konsumentensendung «Kassensturz» aus dem Jahr 2003. Die SRF-Journalistin Fiona Strebel gab sich in einem Gespräch mit einem Versicherungsberater als Kundin aus, um Missstände bei Versicherungsberatungen aufzudecken. Das Beratungsgespräch wurde von zwei verborgenen Kameras aufgezeichnet.
Teile des Beratungsgesprächs wurden in der Sendung «Kassensturz» ausgestrahlt, wobei die Stimme und das Gesicht des Versicherungsmitarbeiters unkenntlich gemacht wurden.
Das Zürcher Obergericht verurteilte darauf den damaligen Chefredaktor des Schweizer Fernsehens, Ueli Haldimann, den Leiter der Sendung «Kassensturz», Hansjörg Utz, und die zwei Journalistinnen Monika Balmer und Fiona Strebel wegen des Aufnehmens fremder Gespräche. Es sprach gegen die Betroffenen bedingte Geldstrafen zwischen 5 und 15 Tagessätzen à 30 bis 350 Franken aus.
Das Bundesgericht bestätigte das Urteil und hielt fest, dass die versteckten Aufnahmen gegen die journalistischen Berufspflichten verstiessen.
Dem hat der Gerichtshof für Menschenrechte in Den Haag nun widersprochen. Nach Ansicht der Strassburger Richter hat die Schweiz mit dem Bundesgerichtsurteil die Meinungsfreiheit verletzt. Der Eingriff in das Privatleben des Versicherungsberaters sei nicht gross genug gewesen, um das öffentliche Interesse zu Informationen über Missstände in der Versicherungsberatung aufzuheben.
«Ein entscheidender Faktor war, dass die Journalisten das Gesicht und die Stimme des Beraters unkenntlich gemacht haben und dass es nicht in seinen eigenen Büroräumlichkeiten stattfand», schreibt das Gericht am Dienstag. Zudem sei dem Berater die Möglichkeit eingeräumt worden, seine Sicht der Dinge zu erläutern.
Obwohl die gegen die Journalisten ausgesprochenen Geldstrafen von der Summe her relativ gering gewesen seien, hätten diese dazu dienen können, Kritik der Medien zu unterdrücken. «Dies stellt einen Verstoss gegen Artikel 10 der Meinungsfreiheit dar», kommt das Gericht zum Schluss.