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Mittwoch
16.09.2020

Medien / Publizistik

«Zu oft fühlen wir uns von übergeordnet getroffenen Entscheidungen als kritische JournalistInnen beschnitten», kritisieren die SRF-Inlandredaktoren.

«Zu oft fühlen wir uns von übergeordnet getroffenen Entscheidungen als kritische JournalistInnen beschnitten», kritisieren die SRF-Inlandredaktoren.

Feuer im Dach des SRF-Newsrooms: In einem Protestbrief haben die Mitarbeitenden der SRF-Inlandredaktion das schlechte Arbeitsklima angeprangert, wie der «Blick» berichtet.

In dem Schreiben forderten die Inlandredaktoren und -redaktorinnen von Chefredaktor Tristan Brenn und SRF-Direktorin Nathalie Wappler, dass die Arbeitszustände im Newsroom analysiert und Verbesserungen in die Wege geleitet würden.

«Zu oft fühlen wir uns von übergeordnet getroffenen Entscheidungen als kritische JournalistInnen beschnitten, als engagierte RedaktorInnen übergangen und als leistungsbereite Mitarbeitende eingeschränkt», zitiert die Zeitung aus dem Protestbrief.

Im Newsroom herrsche ein «Gefühl von Fremdbestimmung» und gefühlt mangle es an persönlichem Gestaltungsraum. 29 Mitarbeiter haben den Brief unterschrieben, darunter bekannte Gesichter wie die Moderatorinnen Andrea Vetsch, Bigna Silberschmidt, Katharina Locher oder Michael Weinmann.

«Wie bereits am Wochenende bekräftigt, macht sich die Chefredaktion zurzeit Gedanken über die zukünftigen Strukturen im Newsroom», sagte ein SRF-Sprecher gegenüber dem Klein Report.

«Dazu werden bereits in den kommenden Wochen wichtige Leitplanken und Rahmenbedingungen definiert. Die detaillierte Ausarbeitung und Umsetzung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Newsroom-Mitarbeitenden. Darüber wurden die Newsroom-Mitarbeitenden am Sonntag informiert.»

Anonym kritisierten einzelne SRF-Mitarbeiter gegenüber dem «Blick» unter anderem, dass es verkrustete Strukturen gebe, die zu einem «erbitterten Grabenkampf zwischen der alten Garde und jüngeren, online-affinen Kollegen» führe.

Weiter wurde ein «Überhang an Leuten in Pseudo-Führungspositionen» angeprangert. Unter den endlosen Sitzungen leide das journalistische Handwerk. Durch das Aufbrechen der Sendungsredaktionen und die Schaffung von Fachredaktionen sei der Teamgeist geschwächt, der Überblick erschwert und ein «permanentes Gefühl der Verunsicherung» kreiert worden.

Auch die SRG-Gewerkschaft SSM hatte in einer Mitarbeiterumfrage unter 190 Newsroom-Mitarbeitenden etwas Erschreckendes festgestellt: Drei von vier der Befragten gaben an, dass sie das Gefühl hätten, dass ihre Ansichten «wenig bis gar nicht» berücksichtigt würden. Gar 88 Prozent der Befragten gab an, dass sie nur in geringem Masse in neue Prozesse eingebunden werden.

Die im Protestbrief formulierte Kritik sei «seit längerem bekannt», hiess es bei der Gewerkschaft auf Nachfrage des Klein Reports. Die Arbeitsbelastung sei gestiegen. Gleichzeitig fühlten sich viele journalistisch nicht ernst genommen. 

Mittlerweile haben sich laut SSM im Newsroom weitere Fachredaktionen mit den Kollegen der Inlandredaktion solidarisiert und eigene Forderungen gestellt. «Der Appell bringt deutlich zum Ausdruck, dass sich die Redaktorinnen und Redaktoren nicht gegen den Wandel stellen. Es ist unfair, die berechtigte Kritik als die Meinung von ‚Ewiggestrigen‘ hinzustellen und damit abzulenken.»

Der angestrebte Transformationsprozess könne SRF «nur mit und nicht gegen die Angestellten» vollziehen, so die Gewerkschaft weiter. «Er kann auch eine Chance sein, Vertrauen, das in den letzten Jahren verloren gegangen ist, wieder aufzubauen.»

Mitte August hatte Nathalie Wappler ihre Umbaupläne «SRF 2024» präsentiert. Für die digitale Zukunft sollen lineare Formate beschnitten werden. Das hatte für Aufregung gesorgt bei manchen SRF-Mitarbeitenden, wie der Klein Report berichtete.