Die Schweizer Fernsehanbieter können vor lauter Neid nur so erblassen: Rund um die HBO-Serie «Game of Thrones» ist eine regelrechte Fankultur entstanden. Geradezu mit Hysterie wurde die finale Staffel und der Showdown der Fantasy-Machtkämpfe erwartet. Ein betroffener Vater berichtet für den Klein Report.
«Ich halte das nicht mehr aus, noch eine ganze Woche muss ich warten, bis es endlich losgeht», jammert meine 26-jährige Tochter. Nein, sie freut sich nicht auf den Osterhasen, aus diesem Alter ist sie längst raus. Michelle kann die Spannung fast nicht mehr ertragen, bis bei Sky endlich die achte und letzte Staffel der TV-Serie «Game of Thrones» (GoT) ausgestrahlt wird.
«Achtung, Spoiler, Ohren zu, wer den nächsten Beitrag nicht hören möchte», hiess es zuweilen in diversen Radioprogrammen. Montagnacht schliesslich, um 3.30 Uhr, war es dann soweit. Die achte und finale Staffel begann. Zu spät für Michelle – sie musste am Morgen ausgeruht im Büro sein.
Damit sie ja nichts aufschnappte, was in der ersten GoT-Stunde abgegangen war, mied sie an diesem Tag selbst Social Media, wo sie sich sonst regelmässig tummelt. Nein, sie wollte es am Abend um 20.30 Uhr als Aufzeichnung sehen, zusammen mit ihren Freundinnen sowie ihrem ebenso begeisterten Bruder, und sich von den Diadochenkämpfen der um den Eisernen Thron äusserst brutal fightenden Königshäuser verzaubern lassen.
GoT-angefixt worden war Michelle von ihrer 16-jährigen Cousine. Die aus edlem Haus stammende Schülerin des Freigymis in Zürich, ein von ihrem Mami wie ein Augapfel gehütetes Einzelkind, hatte es geschafft, sich «Game of Thrones» heimlich reinzuziehen und ihre Cousine plus eine grosse Clique über 20-Jähriger danach süchtig zu machen.
Sie gehörten damit zu einer Milliarde Fantasy-Fans in aller Welt, die sich den Auftakt der GoT-Finalissima angeschaut haben. Kaum eine Zeitung oder Zeitschrift, die im Vorfeld dieser für Fans so seligmachenden TV-Serie nicht mit Berichten und Interviews die Seiten füllten: Mit den Hauptdarstellern Kit Harington, der Jon Snow gibt, und Emilia Clarke, die sich in der Rolle der Daenerys Targaryen quasi aus dem Nichts zu Weltruhm spielte.
Die Freizeit-Interessen meiner Tochter sind symptomatisch für die Vorlieben der heutigen Jugend. Ihre Sucht nach TV-Serien begann mit der ersten Staffen von «Deutschland sucht den Superstar». Da war Michelle zwölf Jahre alt. Alexander Klaws und Daniel Küblböck wurden zu den ersten Idolen. Das Interesse daran liess aber schnell nach. Die Schweizer Version «MusicStar» war für meine Kids Provinz. Man schaute so nebenbei. Es gab halt keinen helvetischen Dieter Bohlen.
Sucht-Potenzial hingegen erreichten seichte US-Serien wie «O.C. California» und das Party-Sex-lastige, teils recht primitive «Jersey Shore» beziehungsweise später «Geordie Shore» von MTV. Immerhin: Michelle verbesserte damit ihr Englisch-Level in kurzer Zeit frappant.
Was mit «Star Wars» und «Close Encounters of the Third Kind» von George Lucas Ende der 1970er-Jahre bei der letzten Generation ähnliche Begeisterung auslöste wie heute «Harry Potter» oder «Game of Thrones» bei den Nachgeborenen, liegt an einem Pionier der Fantasy-Literatur: J.R.R. Tolkien.
Dessen Bücher «Lord of the Rings» und «Hobbit» schlugen auch in den letzten Verfilmungen total ein. «Der Herr der Ringe» wurde zu einem der meistgelesenen Bücher aller Zeiten, Mittelerde wurde ein Begriff weit über Tolkien hinaus. Man ist kein Lügner, wenn man Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling eine gewisse Nähe zur Schreib- und Fantasiekunst des Herrn Tolkien nachsagt.
«Game of Thrones» scheint der vorläufige Höhepunkt dieser weltweiten Fantasy-Euphorie zu sein. Man weiss schon jetzt, welche Hauptdarsteller am Ende sterben werden. Oh, sorry, Spoiler! Augen zu und ja nicht weiterlesen!