Vier FC-Zürich-Fans und ein St.-Gallen-Fan wohnen in Basel, im Berner Dorf Wald unterstützen elf Einwohner den YB und einer den FC Thun, und im luzernischen Hitzkirch wohnt ein einsamer Fan des FC Basel - ist es ein Übergelaufener oder ein Zugezogener?
Diese Fakten werden aus der interaktiven Fankarte des «Tages-Anzeigers» ersichtlich, die in der Fussballwelt für Aufregung sorgt. Für jede Postleitzahl ist dort die Anzahl der Saisonkartenbesitzer der verschiedenen Clubs aufgeführt. Die Daten wurden ausgerechnet von den Super-League-Clubs selbst geliefert. Nur der FC Sion weigerte sich aus Datenschutzgründen, die Informationen gegenüber dem Tamedia-Konzern herauszugeben.
«Als ob es nicht reichen würde, allwöchentlich in der Presse an den Pranger gestellt zu werden, wird man als Fussballfan in kleinen Gemeinden jetzt auch noch auf interaktiven Karten verewigt», kritisierte ein aufgebrachter Fussballfan gegenüber dem Klein Report das Datenprojekt. In kleinen Ortschaften sei klar nachvollziehbar, wer welchen Fussballclub unterstützt und wie stark.
«Wir haben uns sorgfältig überlegt, wie wir die Privatsphäre der Fans schützen können», verteidigte sich dagegen Mario Stäuble auf Anfrage des Klein Reports, der die interaktive Karte zusammen mit Patrice Siegrist, Julian Schmidli und Timo Grossenbacher erstellt hat. «Aggregierte Daten auf Postleitzahl-Ebene eignen sich dafür, weil man eine Aussage über die Verteilung der Saisonkarten machen kann, ohne an Personendaten anzuknüpfen», behauptet er. «Unserer Ansicht nach handelt es sich bei den gelieferten Daten nicht um Personendaten im Sinne des Datenschutzgesetztes.»
Die Journalisten des «Tages-Anzeigers» haben nach eigenen Angaben bei den Clubs anonymisierte Ortsdaten angefragt: «Wir haben weder Namen noch Adressen erhalten, sondern lediglich eine Liste von Postleitzahlen mit der entsprechenden Anzahl Saisonkarten. Bedingung für die Herausgabe war, dass wir sie lediglich für diese Fankarte verwenden», so der Autor des «Datenblogs» Mario Stäuble.
Denn in einem kleinen Dorf erfolge die Identifizierung von Personen über das lokale Wissen der Leute, welche diese Personen kennen und einem Club zuordnen könnten, meinte er. Und daran ändere auch die Fankarte nichts, befand der Journalist. Eine Gefahr der Identifikation bestünde nur dann, wenn in einer Gemeinde alle Einwohner Saisonkartenbesitzer wären. Dies sei aber nicht der Fall. Der Anteil der Saisonkartenbesitzer an den Einwohnern liege meist unter einem Prozent.
Das Feedback der Leser, gerade von Fans sei vorwiegend positiv gewesen, betonte Mario Stäuble: «Die geografische Verteilung der Anhängerschaft ist eine Frage, die insbesondere auch Fans immer wieder stellen - gerade in Grenzgebieten oder Städten wie Zürich, wo zwei Vereine konkurrieren», sagte er auf die Frage des Klein Reports, warum eine solche Karte seiner Meinung nach denn gewinnbringend sei.
Der erboste Fussballfan sieht aber trotz der Anonymisierung der Daten ein Problem in der interaktiven Karte. Dem Klein Report gegenüber erinnerte er an den Überfall eines Extrazuges mit FC-Thun-Fans in Ostermundigen durch YB-Fans im Mai 2011. «Künftig können sich gewaltbereite Fans mit ihrem Smartphone in der Hand gleich am entsprechenden Bahnhof hinstellen und auf gegnerische Fans warten», warnt er.
Dem widerspricht Mario Stäuble: «Saisonkartenbesitzer sind aufgrund der Karte nicht identifizierbar. Für die genannten - im Übrigen strafbaren und zu verurteilenden Aktionen - ist die Fankarte demnach keine Hilfe.»