«Es gibt viel zu wenige Autorenkinos in der Schweiz», sagte Samir gleich als Erstes, als er auf dem heissen Stuhl Platz nahm. «Kino muss wieder ein Gesellschaftsereignis werden», fügte der Filmregisseur an, der von Moderatorin Monika Schärer, freundlich-lustig als Fossil der Runde bezeichnet worden war.
Die bestand am Samstagnachmittag am Filmfestival von Locarno aus der neuen Direktorin der staatlichen Vermarktungsagentur Swiss Films, Catherine Ann Berger, Urs Fitze, Bereichsleiter Fiktion von SRF, und dem Jungunternehmer Dario Suter, der mit dem Verkauf von StudiVZ zu ordentlich Geld gekommen ist und auf Einladung des Filmjournalistenverbandes als Produzent von «Kon-Tiki» Red und Antwort stand.
Das Thema hiess: «Strampler für den Schweizer Film auf dem heissen Stuhl». Die Fragen stellten Beat Glur, Nina Scheu, Hans Jürg Zinsli und Monika Schärer, die auch als Schiedsrichterin fungierte und mit faktenreichen Zwischenfragen Tempo ins Geschehen brachte.
Etwas gegrillt wurde Urs Fitze, der nach eigener Aussage von den 22,3 Millionen Franken aus dem pacte visuelle, «etwa die Hälfte» erhalte. «Wir sind damit der grösste Filmproduzent in der Schweiz», frohlockte der SRG-Mann, was angesichts der hohen Gebührengelder an den Schweizer Fernsehsender etwas grotesk anmutete. «Wir sind auch Kulturförderer», so Fitze weiter, der von der Truppe doch einige gesalzene Fragen gestellt bekam, wie beispielsweise zur Auswahl der förderungswürdigen Projekte. «Relevant muss ein Thema sein», sagte der Bereichsleiter Fiktion bei der SRG etwas nichtssagend. «Was ist das genau, nenn mal Beispiele», wurde von den Filmjournalisten nachgefragt. «Ein relevantes Theme ist die Vergreisung der Schweiz, die Migration oder die Finanzwelt», erläuterte Fitze.
«Wir sind ja ein grosses Team und die SRG hat eine grosse Publikumsforschung», sicherte er sich ab. Überhaupt sei für die neue Direktion die Quote am Sonntagabend nicht mehr das wichtigste. «Ruedi Matter ermuntert uns, nicht nur traditionelle Themen aufzunehmen, sondern auch die moderne Schweiz abzubilden, gesellschaftspolitische Themen eben.»
Der Name seines Vorgesetzten - und wie toll die Direktion sei - erwähnte Fitze etwa vier Mal in dem Kurzinterview, was Monika Schärer souverän mit «Werbespot angekommen» in der Abmoderation verdankte.
Nach dem Panel-Gespräch, das hinter der Piazza-Leinwand im RSI-Zelt vor einem kleineren Fachgremium stattfand, weibelte dann plötzlich Fernsehdirektor Ruedi Matter selber rum, der zielgerichtet auf seinen «Angestellten» zusteuerte. Matter, eher Typ Kontrollfreak statt Macher, lässt gerne andere aus dem Haus reden, um kommunikativ ja nicht fassbar zu werden. Urs Fitze, der als SRG-Mitarbeiter auch nicht gerade am Hungertuch nagen wird, wirkte trotz dieser Kontrolle munter.
Genau gleich hart befragten die Filmjournalisten danach auch Anne Catherine Berger von Swiss Films. «Wie viele Filmfestivals haben sie seit ihrem Amtsantritt schon auf Staatskosten besucht?» Es ging etwas hin und her, bis Berger mit Cannes rausrückte, «jetzt Locarno eben», wobei sie sich sichtlich unwolhl fühlte beim Wort Staatskosten. “«Ich habe im Mai mit einem 50-Prozent-Pensum begonnen, das Filmfestival von Cannes stand an, da kann man nicht ein Jahr warten», gab die ehemalige Journalistin und in Teilen auch Filmemacherin zur Antwort.
«Ich möchte mich auf die Märkte konzentrieren» unterstrich sie mehrmals ihre Vermarktungsstrategie für den Schweizer Film. «Ich sehe meine Aufgabe unter anderem darin, Leute zu vernetzen, Leute zusammenzubringen», so Berger. Weshalb seit Jahren so wenige Schweizer Filme an internationalen Filmfestivals laufen, wurde Berger gefragt: «Da müssen sie meine Vorgänger fragen. Ich versuche in einem frühen Stadium - wie beispielsweise bei Drehbüchern - am Markt Leute zusammenzuführen», wiederholte sie.
Dario Suter, Jung-Produzent von «Kon-Tiki», der mehrheitlich in Berlin lebt, hat natürlich eher wenig mit diesem überregulierten kleinen Inseldasein Schweiz zu tun. Suter erklärte erfrischend, wieso es ihm und seinen drei Partner Spass macht, Filme zu produzieren, dass er es aber auch als Bürde empfinde, 30 Angestellte zu haben. «Wir machen Filme, die wir auch selber gerne sehen würden», brachte er sein unternehmerisches Filmengagement auf den Punkt.