Die unkorrekten Radiomesszahlen der Mediapulse/Publicadata waren am Montagnachmittag im Nationalrat ein Thema. Der Bundesrat antwortete in der Fragestunde auf die Eingabe von SVP-Natonalrat Thomas de Courten.
Der Leiter der Wirtschaftsförderung Baselland wollte Informationen über die Missstände bei der Erhebung von Radiohörerzahlen im Zusammenhang mit «Simulcasting» in den letzten Monaten haben. «Simulcasting» ist das zeitgleiche Ausstrahlen von Radioprogrammen auf mehreren Sendern.
Das Gremium hätte auf folgende Fragen antworten geben müssen: «Ist sich der Bundesrat bewusst, dass diverse Schweizer Radiosender über längere Zeit das identische Programm ausstrahlen (Simulcasting) und einzelne Sender dadurch von der Firma Mediapulse massiv überhöhte Hörerzahlen ausgewiesen erhalten? Ist sich der Bundesrat bewusst, dass Mediapulse den gesetzlichen Auftrag, wissenschaftlich korrekte Hörerzahlen zu ermitteln, somit nicht erfüllt?»
Ähnlich wie bereits beim TV-Quotendesaster mit dem Kantar-Messsystem hiess es am Montagnachmittag, «Problem erkannt», die Mediapulse/Publicadata arbeite schon mit der Branche an einer Lösung.
Medienministerin Doris Leuthard gab zur Anwort: «Simulcasting im Radiobereich - das gleichzeitige Ausstrahlen identischer Inhalte über mehrere Radiosender - ist dem Bundesrat seit Längerem aus Einzelfällen bekannt und hat in der Vergangenheit keine Probleme verursacht.»
Leuthard verweist auf die Stiftung Mediapulse und deren medienwissenschaftliche Kommission, die prüfe, ob die Nutzungsdaten einwandfrei erhoben worden sind. «Dem Bundesrat liegen bis anhin keine Hinweise dieser Expertenkommission vor, welche auf eine Verletzung des gesetzlichen Auftrags bei der Messung der Radionutzung schliessen lassen würden», sagte Leuthard am Montag im Nationalrat. Mediapulse analysiere derzeit die Situation in den dafür vorgesehenen Gremien gemeinsam mit Vertretern der Radiobranche und der Forschung. Das Bundesamt für Kommunikation verfolge die Entwicklung aufmerksam.
Thomas de Courten fragte nach: «Mir reicht Ihre Antwort in dem Sinne nicht ganz, als das Messsystem von Mediapulse technisch die korrekte Erfassung ermöglichen würde. Entsprechende Berechnungen liegen auf dem Tisch, auch auf dem Ihres Bundesamtes. Können Sie einen Zeitplan nennen und uns sagen, wie die Überprüfung von Mediapulse, die Sie vorhin erwähnt haben, vonstattengehen soll? Bis wann können wir damit rechnen, dass der gesetzliche Auftrag von dieser Institution richtig erfüllt wird?»
Bundesrätin Leuthard: «Mediapulse ist eine unabhängige Expertenkommission. Das Bakom übt die Aufsicht aus. Es ist an Mediapulse, allfällige Anpassungen im Messsystem vorzunehmen. Suchen Sie das Gespräch!», sagte die Medienministerin, die gerne mal etwas scharf antwortet und den Ball einfach wieder ins Spielfeld zurückschiesst. «Sie sind ja in diesem Geschäft auch direkt involviert. Insofern ist das der richtige Weg», meinte Leuthard.
Aus Leuthards Sicht käme die Aufsicht dann ins Spiel, wenn effektiv ein Zusammenhang mit der Publikation Missstände vorhanden wären. «Im Vorfeld erfüllen wir unsere Aufsichtspflicht, indem wir das Geschäft begleiten und mit Mediapulse auch die Schritte besprechen respektive uns informieren lassen über das, was abläuft», so die Juristin. Und um den Ball ganz weit wegzuschiessen, fügte sie an: «Aber zuständig ist und bleibt im Moment Mediapulse, und deshalb äussere ich mich im Moment auch nicht zu einem Zeitrahmen. Das ist Sache der Kommission.»
Mediapulse/Publicadata hatte nach der Publikation der falschen Radiozahlen zu ihrem «Mediapulse-Herbstseminar» geladen, wo die «Gelegenheit für den direkten Austausch zwischen den Mediapulse-Kunden und dem Forschungsteam» möglich war, wie die Firma am 10. September vorsorglich mitteilte.
Hauptthema war die Simulcasting-Thematik in der Radioforschung. «Sie nimmt markant zu und wird damit zur Herausforderung für die Radioforschung», analysiert Mediapulse. «Mit kurzen Simulcasting-Sequenzen kann das Messsystem nach wie vor gut umgehen. Im 1. Semester 2014 haben jedoch einzelne Sender die Simulcasting-Sequenzen deutlich ausgebaut; im Falle von Energy auf bis zu vier und mehr Stunden werktäglich», so Mediapulse.
Für das Messsystem seien die Sender in diesen Perioden nicht mehr unterscheidbar. «Die bewährten Zuschreibungsregeln kommen angesichts dieses ausgedehnten Simulcastings an ihre Grenzen und ordnen teilweise Hörer nacheinander mehreren dieser Sendern zu. Wenn dies nicht dem effektiven Verhalten des Hörers entspricht, entsteht eine falsche Doppelzählung und damit eine überhöhte Reichweite», erklärt Mediapulse die Doppelspurigkeit, die logischerweise massive Auswirkungen auf die Werbebuchungen hat.
Das Ausmass sei mittlerweile markant, könne aber nicht genau quantifiziert werden. «Mediapulse hat das Ausmass dieser Entwicklung des Simulcasting nicht vorhergesehen.»
Die von diesen falschen Radiomesszahlen unter anderem auf dem Platz Basel gleichermassen betroffenen Radiosender Radio Basilisk und die Energy-Sender des Ringier-Konzerns sind aus verschiedenen Gründen sauer und können mit ihren Werbekunden nicht korrekte Buchungen tätigen, jedenfalls sind unkorrekte wissenschaftliche Messungen Gift für eine vertrauensvolle Geschäftstätigkeit.
Gemäss Recherchen des Klein Reports denken beide Parteien über Klagen nach. Denn die Verletzung der gesetzlichen Aufsichtspflicht des Departements von Bundesrätin Doris Leuthard steht im Raum. Zur Aufsicht ist das Departement aber gesetzlich verpflichtet. Bis jetzt verzichtet die Aufsicht aber darauf, von Mediapulse konkrete Massnahmen unter klaren Fristen zur Behebung der Missstände zu fordern.