Ende 2010 hat Rolf Müller, damaliger Geschäftsleiter der Publica Data AG, das Marktforschungsunternehmen für viele überraschend verlassen. Mittlerweile nimmt er bei der DAP GmbH in Frankfurt am Main als Leiter Marketing, Sales & Support, eine Schlüsselrolle ein. Das Unternehmen bietet IT-Lösungen für die Markt- und Medienforschung, für elektronische Medien sowie für Mediaagenturen an. Der Klein Report sprach mit Rolf Müller über seinen Abgang und künftige Ziele.
«Nach 17 Jahren in der Schweizer Medienforschung fühlte ich mich bereit für etwas Neues», erklärte Müller dem Klein Report. Hinzu kam, dass sich der Geschäftsleiter von Publica Data mit dem Geschäftsleiter von Mediapulse und dem gemeinsamen Verwaltungsrat nicht einig war, wie sich die Publica Data beziehungsweise der Bereich Marketing & Verkauf der Mediapulse-Gruppe positionieren und weiterentwickeln sollte. «Natürlich steckte darin noch das eine oder andere giftigere Geschichtchen, aber diese interessieren - zumindest mich - nicht mehr», so Müller.
Auf die Frage, was er denn rückblickend anders machen würde, gab er zwar zu, dass er während seiner 17 Jahre bei der Publica Data manche Entscheidung getroffen hätte, die er heute anders fällen würde. Doch er gab zugleich zu bedenken: «Die Publica Data war immer auch ein Spielball von medienpolitischen Kräften und stand oft zwischen den Fronten der SRG SSR als Besitzerin und den privaten Medienunternehmen als Kunden. Da war die Entscheidungsfreiheit der Geschäftsleitung nicht immer gegeben», so Rolf Müller. Gerne hätte er es gesehen, wenn die gesamte Branche, insbesondere die kommerziellen Player und auch die Werbeauftraggeber, schon früher einen stärkeren Einfluss auf die Forschung im Bereich der elektronischen Medien ausgeübt hätte. Dann hätte es womöglich keine Gesetzesartikel im RTVG benötigt.
«Gerne hätte ich den Kunden der Publica Data auch einen grösseren Freiheitsgrad in der Nutzung der Forschungsdaten, so etwa bei den PIN-Daten und Auswertungstools, gewährt. Doch dazu hätte es auch eines substanziell anderen finanziellen Commitments dieser Marktkräfte bedürft», erklärte er dem Klein Report. Und auch in diesen Bereichen hätten vielfach politische Komponenten die Entwicklung behindert. Aber vielleicht kämen diese Entwicklungen nun bald (doch noch).
Seinen Entscheid, zur DAP GmbH nach Frankfurt am Main zu wechseln, hat er nicht bereut. «Mich bewog der Reiz, einen anderen Markt kennen zu lernen, einen Markt, der deutlich gewichtiger ist als der Schweizer Markt», so Rolf Müller. «Und dazu die spannende Frage, ob ich mich darin behaupten kann», fügte er hinzu. Er habe die DAP ja schon viel früher als Publica-Data-Kundin kennen gelernt. «Dieses Unternehmen ist in seinen Geschäftsfeldern enorm kompetent und hat in meinen Augen ein grosses Potenzial - nicht nur bezogen auf den deutschen Markt», ist Müller überzeugt.
Die DAP sei in Deutschland marktführend im Bereich der Analyse- und Planungstools für die TV- und Radioforschungsdaten. Sie sei, salopp gesagt, Hoflieferantin der AGF (Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung) in Deutschland und der GfK im internationalen TV-Bereich. Und in einem weiteren Bereich, dem der Media-Abwicklungs-Software für Mediaagenturen, habe die DAP in Deutschland einen Marktanteil von immerhin rund 35 Prozent. Dies bedeute, dass rund ein Drittel des gesamten deutschen Werbeumsatzes über dieses DAP-Tool abgewickelt werde. «Im Bereich der Data Services gehören die AS&S (Vermarktungsgesellschaft der ARD), aber zum Beispiel auch der Verlag Motor Sport Stuttgart zu unseren Grosskunden. IT-Services schliesslich bieten wir in erster Linie KMU, wie die DAP mit ihren 110 Mitarbeitenden selbst eine ist, an», so Rolf Müller gegenüber dem Klein Report.
Dementsprechend sei Müllers Aufgabenbereich als Leiter Marketing, Sales & Support, sehr weit gesteckt: «Ich bin dran, ein Marketing für die DAP aufzubauen, das mehr in Richtung Internationalität zielt», so Müller. Denn das sei Neuland für die DAP: «Unsere brandneue Media-Abwicklungs-Software, MediaLine 2, ist möglicherweise die beste auf dem Markt derzeit und hat das Potenzial, auch die internationalen Agenturnetzwerke optimal in ihrer Arbeit zu unterstützen», erklärte er. Auch die Kooperation mit der GfK erfordere diese Internationalisierung. Parallel dazu werde der Verkauf auf diese Bedürfnisse ausgerichtet, und dementsprechend müsse die dritte wichtige Säule - die Software-Support-Teams, für die er verantwortlich sei - mit der Entwicklung mithalten können.
Der Klein Report sprach Rolf Müller auch darauf an, inwiefern die Kommunikationsbranche auf seinem Gebiet in Deutschland anders sei als in der Schweiz. Müller antwortete diplomatisch: «Für ein klares Bild ist es etwas verfrüht, ich stecke noch zu wenig tief drin. Aber eine erste Erkenntnis ist: Dieser Markt ist deutlich grösser, die meisten Unternehmen sind es auch», sagte er. Dementsprechend sei die Arbeitsteilung auch differenzierter: Die DAP verkaufe keine Daten, sondern «lediglich» die Software für die Analyse der Daten. «Teilweise verkaufen wir auch nur den Support, die Schulung und Add-ons. Ein Interessent für unsere Tools muss zuerst mit der AGF sprechen und dann mit uns. Oder es setzen sich alle drei Parteien an einen Tisch», führte er aus. Der Koordinationsbedarf sei jedenfalls grösser. Handkehrum sitze die DAP in allen Gremien der AGF, der Fernsehforschung, damit sie selbst bei den kleinsten Veränderungen der Methode jederzeit reagieren und die Funktionalität ihrer Software garantieren könne. «Es gibt aber in der AGF zurzeit neun feste Gremien statt nur einer User-Commission wie bei der Mediapulse. Diese tagen je mindestens monatlich», erklärte er.
Grundsätzlich könne man also von einer grösseren Differenzierung, gepaart mit einer stärkeren Spezialisierung und einem höheren Koordinationsaufwand, sprechen. «Klar wird auch mit den berühmten härteren Bandagen gearbeitet. Doch zumindest die TV-Branche scheint mir - auf dieser Ebene - deutlich weniger politisch zu sein», so ein kleiner Seitenhieb Müllers an seine einstigen Mitstreiter in der Schweiz. Die Diskussionen in Deutschland seien sachlicher geprägt.