Die Print-Titel «Neue Zürcher Zeitung» und die «NZZ am Sonntag» zählen zu den Tages- und Wochenzeitungen, die im letzten Jahr am meisten Leserinnen und Leser verloren haben. Absurderweise schreibt die Mediengruppe in ihren Jubelmeldungen genau das Gegenteil.
«Starkes Wachstum im Nutzermarkt», «steigende Nachfrage nach NZZ-Titeln» und «erhöhte Reichweite»: Solche Superlative verschickte die NZZ-Gruppe am Dienstag an die Medien, nachdem zuvor die neuen Reichweitenzahlen der Wemf publiziert wurden.
So richtig glauben mochte das offenbar niemand, der die Zahlen mit eigenen Augen gesehen hatte. Deshalb sah sich die «Neue Zürcher Zeitung» dazu genötigt, die vermeintliche «Erfolgsmeldung» über die eigenen Kanäle zu pushen. Am Donnerstag wurde sie auch noch auf die Website nzz.ch gestellt.
Doch die beschönigende Eigendarstellung aus der Zürcher Falkenstrasse verschweigt einen erheblichen Teil der Wahrheit. Die nackten Zahlen der «MACH Basic 2020-1» sprechen in Bezug auf die Print-Reichweite eine ganz andere Sprache.
Mit einem Leserrückgang von 9,7 Prozent zählt die «Neue Zürcher Zeitung» im Vorjahresvergleich sogar zu den grössten Verlierern der aktuellen Print-Erhebungen. Gleiches gilt für die «NZZ am Sonntag» mit einem Einbruch von 9,3 Prozent. Nur «20 Minuten» und der «SonntagsBlick» haben unter den Tages- und Sonntagszeitungen noch mehr Leserinnen und Leser verloren.
Die Reichweitenverluste bei den Zeitungen konnten trotz einem starken Wachstum der Onlineangebote nicht vollständig kompensiert werden: Die Netto-Reichweite gemäss «Total Audience» der Wemf zeigt, dass die NZZ im letzten Jahr 6000 Leserinnen und Leser weniger zählt – und zwar Print und Online zusammengerechnet.
So richtig beunruhigt über den massiven Zeitungs-Aderlass sind die Medienmanager der NZZ scheinbar nicht. Fragen des Klein Reports, ob es Massnahmen brauche, um den Leserverlust im Print-Bereich zu stoppen oder ob diese Rückgänge im Sinne der Digitalstrategie bewusst in Kauf genommen würden, wurden nicht direkt beantwortet.
Auch die Frage, ob die NZZ einen Zusammenhang zwischen der rückläufigen Print-Nachfrage in der Schweiz mit dem verstärkten redaktionellen Fokus auf die Deutschland-Berichterstattung sieht, blieb offen. «Die Abonnentenzahl in Deutschland konnte 2019 um rund 50 Prozent gesteigert werden», wurde lediglich erklärt.
Anstatt auf die einzelnen Punkte einzugehen, schickte die Medienstelle der NZZ-Gruppe dem Klein Report ein pauschales Statement. Darin heisst es mit Bezug auf die Print-Einbrüche, dass die Mediengruppe «ihre vor einigen Jahren initiierte Transformation für die digitale Zukunft konsequent fortsetzt». Die Bedürfnisse der Kunden seien «zunehmend digitaler Art, während der Konsum von Print-Produkten langsam, aber für uns spürbar, abnimmt».
Die Strategie der NZZ-Gruppe sei «erfolgreich», steht weiter in der Stellungnahme. Als Beleg wurden noch einmal die Erfolge mit den Digital-produkten betont. «Die NZZ erreichte 2019 erstmals mehr Nutzer und Nutzerinnen mit ihren Bezahl-Digitalangeboten als mit der gedruckten Zeitung. Künftiges Wachstum erwarten wir vor allem bei den digitalen Angeboten.»
Was die Zukunft der gedruckten Zeitung betrifft, hält sich die Mediengruppe sehr bedeckt. «Solange wir genügend Leserinnen und Leser haben, die für die gedruckten Zeitungen zu zahlen bereit sind, und solange das wirtschaftlich machbar ist, werden wir die Erscheinungsweise unserer Titel in absehbarer Zukunft nicht ändern.»